Die irische Meerjungfrau
wenig mehr war als eine vage Andeutung. »Sagen wir, ich bin … Finanzberater.«
»Ah.« Fin machte auf naiv. »Hier in Foley?«
»Nein. Drüben im Norden.«
Er konnte sich lebhaft vorstellen, wessen Finanzen er dort ordnete – abgesehen von seinen eigenen, versteht sich …
Billy MacGann wandte sich ab und ging zurück zum Parkplatz. »Und außerdem will ich, dass Sie meine Tante in Ruhe lassen, O’Malley.« Da war sie wieder, jene feine Nuance, die man durchaus als Drohung auffassen konnte. »Haben wir uns verstanden?«
»Sicher. Klar doch. Kein Problem, Mr. MacGann«, beeilte sich Fin zu beschwichtigen und stolperte hinterdrein.
Billy öffnete den Wagenschlag des schwarzen Porsche. »Und noch was.« Er stieg ein, ließ den Motor an und das Fenster mit einem sanften Summen herunter. »Lassen Sie die Finger von Charlie Quinn.« Vierhundertachtzig Pferdestärken scharrten ungeduldig mit den Hufen. »Ich meins ernst.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte er den Wagen zurück, beschrieb einen eleganten Halbkreis und entschwand in einer kleinen Wolke aus Staub und Kiesel.
Fin ließ den angehaltenen Atem los und starrte ihm hinterher. Registrierte das britische Nummernschild.
War am Ende Billy MacGann der Märchenprinz?
Nein. Irgendwie passte da was nicht zusammen.
14. Quinn
Sie hatte einen Namen. Quinn. Charlotte Quinn.
Fin war der Ansicht, dass er sich einen Whisky verdient hatte, auch wenn er selber rein gar nichts zur Aufklärung beigetragen hatte. Das hatte Billy MacGann getan. Ganz sicher unabsichtlich.
Er grinste vor sich hin und zog seinen Flachmann aus der Jackentasche, zusammen mit einem Päckchen Tabletten gegen Fieber, Erkältung und Gliederreißen. O’Connors Laden war eine unerschöpfliche Fundgrube. Er nahm eine Tablette und spülte sie mit zwei Schluck Whisky hinunter.
Allmählich kam der Fall ins Rollen. Billy MacGann war durchaus glaubwürdig gewesen. Soweit man einen Mann als glaubwürdig bezeichnen kann, der sein halbes Leben damit verbracht hatte, Polizeistationen in die Luft zu sprengen und abtrünnigen Mitstreitern die Kniescheiben wegzuschießen. Woher hatte er gewusst, wonach Fin suchte? Nora. Gut möglich. Aber wer hatte ihm gesagt, wo er ihn finden konnte? Und woher wusste Billy, dass er, Fin, seine Finger nicht von Charlotte gelassen hatte? Von Charlotte selber? In so kurzer Zeit? Oder beobachtete Billy ihn? Steckte er am Ende in dem Kunstdiebstahl mit drin? Warum hatte er ihm wirklich die angeblich wahre Geschichte von Shergars Schicksal erzählt?
Die letzte Frage in dieser verdammt langen Reihe von Fragen glaubte Fin beantworten zu können. Jag dem dämlichen Reporter eine bisschen Angst ein, wirf ihm einen verlockenden Köder hin, den er nur zu gerne schlucken wird, ehe er erleichtert und dankbar mit des Rätsels Lösung im Gepäck verschwinden wird.
Ja, das hatte sich Billy »Blue Boy« MacGann fein zurechtgelegt. Aber nicht mit Fin O’Malley.
Er zog sein Handy heraus. Etwas Hilfe von außerhalb konnte jetzt nicht schaden. Außerdem wurde es Zeit, dass die in Dublin erfuhren, dass er noch lebte.
Kein Netz.
Dublin musste warten.
Fin stieg in seinen Wagen und fuhr los. Stoppte nach ein paar Metern, stieg wieder aus und versuchte, den verbeulten Kotflügel soweit zurechtzubiegen, dass er nicht nach zwei Meilen den Reifen aufschlitzte.
In Foley angekommen hielt er Ausschau nach einer Telefonzelle, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Viel zu auffällig.
Als Nächstes fuhr Fin an der Tankstelle vor und bat Brian, den Kotflügel notdürftig zu richten. Auch dieses Mal keine Frage, wie es passiert war.
Fin fühlte sich dennoch genötigt, etwas zu sagen. »Musste einem Schaf ausweichen.«
»Jaja, die Schafe sind wirklich überall«, brummelte Brian und rückte dem Autoblech mit kräftigen Hammerschlägen zu Leibe.
Wenn das so weiterging, wurde er noch Dauerkunde bei Brian. Da schadete es nichts, sich mit dem Mechaniker gut zu stellen. »Bei der Gelegenheit können Sie ihn auch gerade volltanken.«
»Mach ich.«
Fin wunderte sich. Brian schien geradezu redselig. Vielleicht war es einen Versuch wert. Über einen kleinen Umweg. Erst das Objekt einkreisen und in Sicherheit wiegen. »Erinnern Sie sich an die Geschichte mit Shergar? Muss etwa fünfundzwanzig Jahre her sein.«
»Ja. Dunkel.«
Dann zielen. »Hatte man nicht Joey MacGanns Sohn Billy in Verdacht, seine Finger im Spiel zu haben?«
»Kann sein.«
Und zustoßen. »Kannten Sie eigentlich die
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