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Die irische Meerjungfrau

Die irische Meerjungfrau

Titel: Die irische Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Roemer
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schon viel zu tief in all dem … dem anderen drin. Es hat nochmal so lange gedauert, bis … bis ich es jemandem anvertraut habe.«
    »Jack war hocherfreut, nehme ich an.« Er wollte seinen Sarkasmus gar nicht verstecken.
    Sie fuhr sich mit einer Geste der Resignation durch die Haare. »Du willst es gar nicht wissen, nicht wahr?«
    »Was?«
    »Die Wahrheit.«
    »Brauch ich gar nicht. Ich hab in den letzten Tagen genug Geschichten gehört. Was ich wissen muss, seh ich vor mir.«
    »Du siehst das, was du sehen willst.«
    »Oh, werden wir jetzt philosophisch?«
    Sie schüttelte den Kopf. Über Fin. Über dieses Gespräch. Über die ganze verfahrene Situation. Ihr Blick wanderte im Zimmer umher, als ob irgendwo – auf dem Bett, im Kleiderschrank, auf dem Sessel – die Lösung für alles lag und nur darauf wartete, entdeckt zu werden. »Vielleicht hast du ja sogar recht, vielleicht ist da ja wirklich etwas von einem Mann in mir.« Sie sah ihn an, begann sich die schweren Motorradstiefel auszuziehen, ließ einen nach dem anderen auf die Holzdielen krachen. »Vielleicht ist es ja auch gar nicht so schlecht, wenn eine Frau weiß, wie ein Mann denkt und fühlt.« Sie schnippte den Hosenknopf auf, die Jeans rutschte über den Hintern.
    Fin hob abwehrend die Hände. »Bemüh dich nicht, das zieht nicht mehr. Du hast mich schon einmal reingelegt.« Zweimal, wenn er’s genau nahm.
    »Oh, ich hatte den Eindruck, dass es dir ganz gut gefallen hat.« Pullover und T-Shirt landeten vor seinen Füßen. Fin schreckte zurück, als wären es entsicherte Handgranaten.
    »Was hast du?« Sie sah ihn herausfordernd an und warf als letztes den Slip auf den Kleiderhaufen. »Hab ich Schwarze Pocken, oder was?« Ihre Nacktheit schien ihr plötzlich nichts mehr auszumachen. »Oder hast du mir bloß was vorgespielt? Ist dir das hier nicht mehr gut genug, jetzt, wo du alles hast, was du wolltest?« Sie wies hinaus in den Flur, wo sie den Van Gogh entdeckt haben musste.
    »Red du mir nicht von Spielen!« Er bekam keine Luft mehr, er musste hier raus, aber sie stand ihm im Weg. »Du hast doch genauso ne Show abgezogen wie alle anderen im Dorf auch!«
    Sie verneinte entschieden. »Fin, das ist nicht wahr.«
    Sie spielte noch immer mit ihm. Versuchte ihn einzuwickeln. Glaubte im Ernst, sie könnte ihn mit ihren Reizen nochmal rumkriegen. Aber sie war nicht länger seine Meerjungfrau. Sie war ein Ungeheuer, eines mit acht Armen, das ihn in die Tiefe ziehen wollte. Alles in ihm sträubte sich gegen das Offensichtliche, gegen den Gedanken, eine Frau vor sich zu sehen. Auch wenn er beim besten Willen nichts anderes sah. Ihr Körper war nicht perfekt. Auch bei Licht betrachtet waren ihre Brüste nicht besonders groß, ihre Schultern waren zu breit und knochig, ihre Hüften vielleicht eine Spur zu schmal. Und doch stand da eindeutig eine Frau vor ihm. Nicht hübsch, aber doch auf ihre ganz eigene Art anziehend. Er verstand nicht, weshalb sie das alles so beharrlich versteckt hatte.
    Trotzdem. »Du bist keine Frau.«
    »Was glaubst du, hast du vor dir?« Ihre Stimme drohte zu kippen.
    »Du bist keine Frau«, wiederholte Fin mit Nachdruck. Und fragte sich, wen er am Ende überzeugen wollte. Charlotte? Oder sich selbst?
    »Dann sag mir, was andere Frauen haben, das ich nicht habe!« Sie kämpfte mit den Tränen. »Sag es mir!«
    Er versuchte, ihrem Blick standzuhalten. »Du bist Thomas Keane. Und du wirst immer Thomas Keane bleiben!«
    Er hielt es nicht mehr aus, er drängte sich an ihr vorbei und ergriff die Flucht. Ihre Hand packte seinen Arm, wollte ihn zurückhalten, aber er schüttelte sie ab. Stieß sie von sich. Dieses Mal nicht.
    »Lass mich!«, brüllte er sie an und stürmte aus dem Zimmer.
    Charlottes Stimme begleitete ihn durch den Flur. »Ich helfe dir! Ich werde da sein, wenn du mich brauchst!«, schrie sie ihm nach.
    Seine eigenen Worte. Die Worte, mit denen er sie das letzte Mal verlassen hatte. Worte, die ihm mit einem Mal so lächerlich vorkamen.
    Er polterte die Treppe hinunter und stürzte aus dem Haus. Erst als er schon auf halbem Weg zum Damm war, merkte er, dass er den Van Gogh vergessen hatte.
    Scheiß drauf! Sollte sich doch die Polizei drum kümmern!
    Mit festen Schritten marschierte er über die Mauer, wollte seine angestaute Wut loswerden, sie in Grund und Boden laufen, aber es gelang ihm nicht. Er war wütend auf Charlotte, wütend auf die Keanes, wütend auf alle, am meisten auf sich selber. Hatte sich vorführen

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