Die irische Wildkatze
anzuvertrauen. »James war sehr krank. Der Doktor sagt, er darf auf keinen Fall wieder trinken.«
»Soll ich ihn besuchen, bevor ich gehe, oder wäre ihm das peinlich?«
»Besser nicht, Will. Ich muss eigentlich wieder gehen, aber darf ich die Kinder noch sehen, bevor ich aufbreche?«
»Ja, komm mit, wir gehen in den Garten mit ihnen. Beth, möchtest du Dandy gern haben? Ohne Charlie brütet er den ganzen Tag in einer Ecke vor sich hin.«
»Oh, Will, vielen Dank. Du weißt, dass ich ihn immer geliebt habe.«
»Und er betet dich auch an. Vielen Dank, Beth.«
Während der nächsten paar Monate besuchte Beth kein gesellschaftliches Ereignis. Sie verbrachte ihre ganze Zeit am Grosvenor Place und widmete sich ganz der Sorge um ihren Sohn Jamie und ihren kranken Mann. Der Erstere brachte ihr große Freude, und durch ihre Beschäftigung mit dem Letzteren konnte sie ein wenig von ihrem Schuldgefühl abarbeiten.
Hamilton erholte sich nur teilweise. Körperlich war er schwach, wirkte viel älter, als er war und litt unter chronischer Gastritis, die es ihm erschwerte, Nahrung in seinem Magen zu behalten. Er entwickelte auch ein ständiges Zittern in den Händen und schlurfte, wenn er zu gehen versuchte. Geistig war vor allem sein Erinnerungsvermögen schwer eingeschränkt. Weil es nicht anders ging, wandten sich sein Sekretär und seine Verwalter in geschäftlichen Angelegenheiten an Elizabeth.
James selbst bat Elizabeth, seinen Rechtsanwalt zu rufen, um seinen letzten Willen und sein Testament in Ordnung zu bringen. Seine erste Sorge galt seinem Sohn und Erben. Er wollte, dass für Jamie alles in Ordnung und geregelt war, damit er nicht nur seine Titel, sondern auch sein Eigentum in Schottland und England erbte. Er war sich der Tatsache wohl bewusst, dass er wahrscheinlich sterben würde, solange sein Sohn noch nicht volljährig war, und so musste er sich mit der Frage eines Vormundes auseinander setzen. Da er den Gedanken nicht ertragen konnte, dass weder Will Cavendish noch George Coventry ihre Finger in die Angelegenheit steckten, wählte er Elizabeth, die Herzogin von Hamilton, als die gesetzliche Vertreterin seines Sohnes.
Beth war James sehr dankbar für diese Entscheidung bezüglich seines Sohnes, obwohl ihre Schuldgefühle dadurch zunahmen. Sie saß Stunde um Stunde bei ihrem Mann und las ihm aus Zeitungen wie dem Politischen Register vor. Sie spielte auch Karten mit ihm und konnte ihren Vater oft dazu überreden, ihnen beim Glücksspiel Gesellschaft zu leisten. James wirkte am lebhaftesten, wenn sie Jamie zu ihm brachte. Das erste Wort, das sie ihm beibrachte, war Papa. Das ließ die Freudentränen in Hamiltons Augen stehen. Jamie lernte am Knie seines Vaters die ersten Schritte zu machen, und Elizabeth sorgte dafür, dass die beiden jeden Tag Zeit miteinander verbrachten.
»Elizabeth, warum bist du so nett zu mir, obwohl ich dir gegenüber so oft ein Schwein war?«
Die Frage überraschte sie. Sie antwortete ihm mit der Hälfte der Wahrheit: »Du warst zwar sehr beherrschend, James, aber du warst auch immer sehr großzügig mit Kleidern und Schmuck und hast mich und die meinen mit allen Bequemlichkeiten des Lebens versehen. Ich besaß nur sehr wenig, bis du mich geheiratet hast.« Der wahre Grund, warum ich nett zu dir hin, ist, dass ich kein schlechtes Gewissen haben will, wenn du fort bist. Schuldbewusstsein ist eigentlich schlimmer als Angst. Es frisst deine Seele auf Angst kann man viel leichter überwinden als Schuldgefühle.
33
Elizabeth verbrachte den ganzen Tag friedlich zu Hause. Sie bemerkte gar nicht, dass es ihr neunzehnter Geburtstag war, bis zum Abend, als sie Jamie schon ins Bett gebracht hatte. Als sie aus dem Kinderzimmer kam, begegnete sie ihrem Vater.
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, meine Schöne.« Er überreichte ihr eine Horoskoprolle.
»Das hatte ich ja ganz vergessen! Vielen Dank, Vater.«
»Ich habe es nicht vergessen. Dein Horoskop sagt voraus, dass es im kommenden Jahr für dich viele Veränderungen geben und ein geheimer Wunsch in Erfüllung gehen wird. Ich würde gern dafür sorgen, dass dein Wunsch in Erfüllung geht, Beth.«
»Das ist wohl unmöglich«, sagte sie leise.
Ende Oktober stand Elizabeth am Fenster und sah die letzten Blätter fallen. Der Wind wirbelte sie in Spiralen über den Rasen. Wo ist der Sommer hin? Selbst der Herbst ist schon halb vorüber. Ich kann nicht glauben, dass Jamie schon fast ein Jahr alt ist! Schon bald wird Weihnachten
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