Die irische Wildkatze
Dies hier ist die aufregendste Stadt der ganzen Welt, und du willst nichts anderes tun, als durch einen blöden Park spazieren und schmutzige Tauben und Eichhörnchen füttern. Ich will London erforschen. Wir sind hier, um uns Ehemänner zu angeln, aber das wirst du nie schaffen, wenn du nicht endlich mal erwachsen wirst!«
»Du klingst, als ginge es darum, Lachs zu fangen.« Elizabeth dachte an John Campbell, und ihre Lippen hoben sich zu einem Lächeln. »Männer sind keine Fische.«
»Ach wirklich? Man wirft seinen Köder aus und lässt sie ein wenig knabbern. Dann hat man sie am Haken und lässt sie an der langen Angelschnur spielen, bis sie nach Luft schnappen, dann zieht man sie an Land. Und schließlich kann man sie ganz nach Laune verspeisen.«
Bis Jack und Bridget Gunning zurückkamen, um ihre Töchter abzuholen, verblasste schon das letzte Licht des Nachmittags am Himmel. Ihr Mutter war wegen der Preise, die man in London für das Wohnen bezahlen musste, in sehr aufgebrachter Stimmung. »Das ist dreister Diebstahl! Kein einziges Haus in Mayfair wird für unter zweihundert Pfund im Jahr vermietet. Stellt euch vor, sie wollen, dass wir jeden Pfennig, den wir besitzen am ersten Tag unserer Ankunft hier ausgeben!«
»Also habt ihr kein Haus für uns gefunden?«, fragte Maria ärgerlich.
»Natürlich habe ich ein Haus, und zwar mit einer guten Adresse, aber wir konnten uns nur leisten, es für sechs Monate zu mieten. Die Gunnings residieren von nun an in der Great Marlborough Street. Das Haus ist möbliert und hat auch eine kleine Dienerschaft - eine Köchin und Haushälterin und einen alternden Hausburschen. Kommt, Mädchen, der Weg wird euch gut tun, und ihr werdet für eine ganze Weile keine frische Luft mehr bekommen. Ihr werdet im Haus bleiben und niemandem unter die Augen treten, bis wir euch in modische junge Damen verwandelt haben. Gott sei Dank wird es dunkel, und keiner wird euch ankommen sehen, solange ihr noch wie Bettlerinnen ausseht. Jetzt, wo wir nur sechs Monate zur Verfügung haben, steht unsere Arbeit klar fest. Jack, du wirst als Erstes morgen früh eine Runde bei den Geldverleihern machen.«
In der Pall Mall fuhr eine große, schwarze Reisekutsche durch die Tore des Burlington House und hielt vor den Marmorstufen des prächtigen Herrenhauses. Der Kutscher sprang vom Bock und öffnete die Kutschentür für den Grafen und die Gräfin, während der Butler, die Haushälterin, die Magd und der Bursche die Stufen herabkamen, um die Familie zuhause willkommen zu heißen.
»Nehmt Lady Charlotte, sie ist eingeschlafen. Das Reisen ist ja so anstrengend.« Flankiert von ihrer Londoner Zofe und ihrer Haushälterin folgte die Gräfin von Burlington dem Burschen, der ihre Tochter trug, ins Haus und die breite Treppe hinauf.
»Legt Lady Charlotte den Bettwärmer zwischen die Laken. Ich möchte nicht, dass sie sich genau zu Beginn der Wintersaison erkältet.«
Als der Bursche Charlie in einen vergoldeten Sessel setzte, während ihr Bett vorbereitet wurde, wachte sie gerade in dem Augenblick auf, als ihre Zofe mit einem kleinen Dan-die Dinmont Terrier auf dem Arm hereinkam. »Hallo, Dandy. Ich habe dich ja so vermisst!« Charlie streckte die Arme aus und lachte, als der kleine Hund hochsprang und sie am Kinn leckte.
»Packt Lady Charlottes Koffer heute Abend noch nicht aus. Das wird Stunden in Anspruch nehmen, und sie braucht ihre Ruhe. Aber ihr könnt ihr eine feine, warme Schokolade bringen.« Dorothy Boyle hauchte einen Kuss auf die dunklen Locken ihrer Tochter. »Gute Nacht, Liebes. Bleibe bis morgen Mittag im Bett, damit du deine Kräfte nach der harten Reise wieder gewinnst.«
Die Reise von Irland herüber war für die Boyles viel weniger anstrengend gewesen als es für irgendwelche anderen Sterblichen möglich war. Sie hatten das irische Meer an Bord ihrer eigenen Yacht überquert und waren dann in ihrer gut gefederten Reisekutsche begleitet von Reitern zu ihrem Schutz gefahren. Sie hatten nicht in Wirtshäusern geschlafen, sondern in ihren eigenen Residenzen in Bolton Abbey, Londesborough Lodge und Uppingham Manor in Rutland, die alle mit vollem Bestand von Personal ausgestattet waren, das sie so gut wie möglich verwöhnte und bekochte.
Als die Gräfin von Burlington ihr eigenes Zimmer betrat, fragte ihre Zofe: »Wünscht Ihr heißes "Wasser für ein Bad, Euer Gnaden?«
»Ja, danke.« Sie kritzelte eine Notiz auf ein Papier und gab es der Zofe, die es dem Burschen des Grafen
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