Die irische Wildkatze
geirrt haben musste. Dann entdeckte er plötzlich Bridget Gunning in animierter Unterhaltung mit Prinzessin Augusta und dem Herzog von Devonshire. Sie trug ein edles, graues Kleid und schwarze Federn in ihrem tizianroten Haar. Er runzelte die Stirn. Beth hatte ihm gesagt, sie sei keine Debütantin, sie hätte ihre Kleider nur geliehen und sie wolle eine Schauspielerin werden. Das passte irgendwie nicht zu der Tatsache, dass ihre Mutter Gespräche mit Mitgliedern der königlichen Familie führte.
Er wanderte hinauf zum Speiseraum und musterte mit scharfem Blick jede Dame, der er begegnete, während er nach dem abwesenden jungen Mädchen suchte, das jetzt all seine Gedanken beanspruchte. Sofort entdeckte er Maria Gunning - sie würde wirklich in jeder Menge auffallen -, aber Elizabeth war nirgendwo zu sehen. Als er sich Maria näherte, erkannte er überrascht, dass sie in Begleitung seines Freundes, des Grafen von Coventry, war.
»Sundridge, erlaube mir, dir Fräulein Maria Gunning vorzustellen, die aus Castlecoote in Irland für den Winter hierher gekommen ist.«
John verbeugte sich. »Ich hatte bereits das Vergnügen, George.« Sein Blick musterte das teure Kleid und den zarten, passenden Fächer, und verglich sie mit dem Kittelkleid, das Beth getragen hatte, als er ihr am Fluss zum ersten Mal begegnet war.
»Sundridge? Ich dachte, Ihr heißt John Campbell«, sagte Maria.
Coventry schüttelte sich vor Lachen. »Fräulein Gunning hat wirklich einen köstlichen Sinn für Humor, John.«
»Ich habe Elizabeth gesucht.«
»Ach, meine Schwester hat sich entschlossen, heute Abend nicht ins Devonshire House zu kommen. Sie war bereits verabredet.«
»Zweifellos auf der Bühne in der Drury Lane.« John war gekränkt, dass Beth Gunning ihn zum Narren gehalten hatte.
Maria ließ ein hübsches Lachen hören. »Ach, das ist ein kleines Spiel, das Elizabeth gern mit Gentlemen spielt. Sie tut so, als wollte sie eine Schauspielerin werden - diese kleinen, gewagten Phantasien mag sie einfach. Auf unserem Schloss in Irland lief sie auch gern halb verwildert umher, wie ein Kind der Natur. Mutter hat es irgendwann aufgegeben, sie beherrschen zu wollen. Seit wir in unserem Londoner Haus in der Great Marlborough Street angekommen sind, ist sie von Einladungen überschüttet worden. Trotz ihrer etwas neckischen Art ist sie sehr beliebt.«
»Zweifellos ist sie gerade wegen ihrer neckischen Art beliebt, nicht trotzdem«, meinte Campbell.
»Soll ich Elizabeth etwas von Euch ausrichten?«
»Nein, danke«, murmelte John höflich. »Entschuldigt mich.« Er hatte das Bedürfnis nach frischer Luft, und so trat er hinaus in den Garten. Paare, die unter dem Licht der bunten Laternen spazierten, machten die Atmosphäre für Johns Stimmung viel zu romantisch. Er fluchte tonlos und kämpfte gegen den Drang an, sofort in die Great Marlborough Street zu fahren und Elizabeth Gunning mit den falschen Geschichten zu konfrontieren, die sie ihm erzählt hatte. Dann erinnerte er sich daran, dass sie gar nicht zu Hause war. Das Fräulein Gunning hatte ja schon eine andere Verabredung, hieß es. Durch diese Information wurde seine schlechte Laune auch nicht besser. Als er hinaus in Richtung Piccadilly ging, beschloss er, heute Nacht in seinem Stadthaus in der Half-Moon-Street zu übernachten anstatt nach Sundridge zurückzukehren.
In der Great Marlborough Street stand Elizabeth nachdenklich am Fenster ihres Schlafzimmers und sah hinaus. Sie wusste, dass sie eigentlich ins Bett gehen sollte, denn es würde bestimmt noch Stunden dauern, bis ihre Familie von dem Abend im Devonshire House zurückkam, aber sie bezweifelte, dass sie einschlafen könnte. Um sich die Zeit zu vertreiben, hatte sie ein halbes Dutzend hübsche Strumpfbänder genäht, doch obwohl damit ihre Hände beschäftigt waren, wurden ihre Gedanken dadurch nicht abgelenkt. Ihre Phantasie hob ab, und sie sah vor sich einen luxuriösen Raum mit Damen in modischen Kleidern und Herren in eleganten Anzügen. Sie stellte sich Charlies Enttäuschung angesichts ihrer Abwesenheit vor und hoffte, dass John Campbell einen Weg finden würde, Kontakt mit ihr aufzunehmen, wenn er erfuhr, dass sie in London war. Vielleicht wird er mir ja eine Nachricht schreiben!
Es war schon Mitternacht, bis die Gunnings nach Hause kamen. Elizabeth wollte unbedingt alles über Devonshire House erfahren und wem sie dort begegnet waren. Ihre Mutter berichtete in allen Einzelheiten von allen wichtigen Mitgliedern der
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