Die irische Wildkatze
Sie seufzte. »Will muss mich für das reinste Baby halten.«
»Du hast ihn also gestern Abend getroffen! Seid ihr im Garten spazieren gegangen?«
»Ja, er hat mich gebeten, mit ihm in den Garten zu gehen! Er hat mich auch gefragt, ob ich heute Nachmittag durch den Park fahren würde.«
»Dann hält er dich nicht für ein Baby, sondern für eine modische Dame!«
Die Gräfin von Burlington schaute ins Zimmer. »Hallo,
Elizabeth. Charlie, wenn du heute Nachmittag im Park spazieren fahren willst, brauchst du einen neuen Sonnenschirm. Würde es den beiden Damen nicht gefallen, wenn wir heute Vormittag Einkaufen gehen?«
»Ja, bitte!«, meinte Charlie ganz eifrig. »Vielleicht kann Elizabeth mir helfen, ein Kleid auszusuchen, in dem ich etwas erwachsener aussehe. Sie bekommt ein neues Ballkleid zum Geburtstag nächste Woche. Vielleicht entdeckt sie bei Madame Chloe etwas, das ihr gefällt.«
Als Elizabeth ihre Haube aufsetzte, stellte sie fest, dass sie genauso gern Einkaufen ging wie Charlie. Sie hatte kein Geld, aber Anschauen kostete nichts, und Kleider anzuschauen machte eben jeder Frau Spaß, die diese Bezeichnung verdiente.
Madame Chloe zeigte in ihrem edlen Geschäft für ihre reichste Kundin jede Art und Farbe von Sonnenschirm. Die Gräfin entschied sich für einen aus schwarzweiß gestreifter Seide, während Lady Charlotte einen in Vergiss-Mein- Nicht-Blau nahm, der zu ihrem neuen Tageskleid passte.
»Welchen möchtest du, Elizabeth?«, fragte die Gräfin.
»Oh, das kann ich nicht annehmen, Mylady«, antwortete sie schnell.
»Unsinn, das ist doch nur eine Kleinigkeit. Wie wäre es mit dem in Rosa? Jede Dame sollte einen Sonnenschirm in Rosa haben, unter dem ihr Gesicht leuchtet.«
»Vielen Dank«, sagte Elizabeth schüchtern.
»Lady Charlotte hätte gern ein Kleid, in dem sie etwas modischer aussieht«, erklärte Lady Burlington Madame Chloe.
Charlie suchte sich zwei Kleider aus und nahm Elizabeth mit in den Ankleideraum. In dem geräumigen Zimmer hing ein Kleid aus goldfarbenem Stoff. »Oh, Elizabeth, dieses Kleid sieht aus als wäre es für dich gemacht!«
Elizabeth berührte die goldenen Fäden mit den Fingerspitzen und verliebte sich sofort in das Kleid. Sie konnte nicht widerstehen und probierte es an.
»Das bringt all die goldenen Lichter in deinem Haar zum Leuchten. Du siehst aus wie eine Göttin, Elizabeth.« Charlie hielt ein Kleid hoch. »Ich glaube, an mir würde dieses pfirsichfarbene gut aussehen. Hilf mir, es zuzumachen.«
»Die Farbe sieht zu deinem dunklen Haar wunderschön aus, Charlie, und durch den Faltenwurf wirkst du viel größer.«
Charlie eilte hinaus, um ihrer Mutter das Kleid zu zeigen. »Elizabeth meint, ich sehe in diesem Kleid größer aus, und helles Pfirsichrosa ist meine Lieblingsfarbe!«
»Also gut, ihr beide habt mich überzeugt. Worin auch immer du größer aussiehst, ist ein Glücksfall.« Sie sah Elizabeth an. »Dieser Goldstoff sieht wirklich phantastisch an dir aus. Möchtest du das Kleid haben?«
Beth wurde bleich. »Oh, nein, Mylady. Ich habe genug Kleider, vielen Dank.«
Als sie wieder zurück in Burlington House waren, genossen sie ein köstliches Mittagessen aus Krebsen in zerlassener Butter mit Spargelspitzen und Käsesoufflee, gefolgt von Charlies Lieblingsdessert, Brombeeren mit Sahne. Nach dem Mittagessen stand Dorothy Boyle auf. »Wie praktisch von der Vorsehung, dass sie uns Sonnenschein geschickt hat. Ich werde die offene Kutsche anspannen lassen, damit ihr in den Park fahren könnt. Ich werde mich nicht als Anstandsdame unbeliebt machen, falls Hartington auftaucht - deine Zofe reicht dafür völlig aus.« Die Gräfin lächelte hintergründig. »Wenn ihr beiden Damen mich entschuldigen wollt, ich bin selbst auch verabredet. Und vergesst eure Sonnenschirme nicht!«
»Elizabeth, ich freue mich so, dass du gekommen bist und mir Gesellschaft leistest. Das ist beinah so, als hätte ich eine Schwester. Maria wird dich heute vermissen.«
»Maria wird nicht einmal bemerken, dass ich nicht da bin. Sie hat selbst im Park ein Rendezvous geplant - mit keinem Geringeren als dem Grafen von Coventry!«
In Charlies Zimmer wuschen sie sich Gesicht und Hände, dann setzte sich Charlie an ihren Toilettentisch, um sich das Gesicht zu pudern und ihre Lippen mit Rouge zu tönen. »Du bist auch ohne Farbe schön, aber möchtest du etwas?«
Elizabeth hielt den Atem angesichts der großen Ansammlung von Tiegeln und Puderquasten an, die vor ihr ausgebreitet
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