Die irische Wildkatze
Sobald ich Euch meinen Bericht über Irland gegeben habe, werde ich die Akten und Papiere für Schottland zusammensuchen.«
»Ach ja, richtig, Irland.« John lehnte sich in seinem Sessel zurück, denn er wollte nicht, dass Hay bemerkte, dass er inzwischen zu dem Schluss gekommen war, seine Reise wäre unnötig gewesen. Er griff nach einer Karaffe mit Portwein, die auf einem Beistelltisch stand, und füllte zwei Gläser. »Setzt Euch - spült Euch den Staub der Straße aus der Kehle.«
Hay leerte das Glas und ordnete seine Papiere. »Zuerst bin ich, wie Ihr vorgeschlagen hattet, Mylord, in die Grafschaft Mayo gefahren, um dort Nachforschungen zu Theobald, dem Vicomte Mayo, und seine Tochter Bridget anzustellen. Dazu muss ich berichten, dass der Vicomte keine Tochter dieses Namens hat, außer natürlich, sie wäre unehelich. Es wird von einigen derartigen Fällen gemunkelt.«
»Aha«, sagte John und setzte seine Fingerspitzen aufeinander.
»In Roscommon hatte ich es nicht ganz leicht, Castlecoote zu finden, und zwar weil es gar kein >Castle< oder sonstwie schlossähnliches Gebäude ist. Castlecoote ist ein kleines und recht reparaturbedürftiges Herrenhaus. John Gunning, der wohl spielen besser als Land bestellen kann, hat erst vor kurzem das Haus und die Ländereien an einen Bauern der Nachbarschaft verkauft. Die Familie hatte keinerlei gesellschaftliche Beziehungen, aber im ganzen Bezirk sprach man von der ungewöhnlichen Schönheit ihrer Töchter. Angeblich soll die Familie nach Dublin umgezogen sein, damit die Töchter ihren Lebensunterhalt als Schauspielerinnen verdienen konnten.«
»Vielen Dank, Robert«, sagte John ruhig. »Wir brechen im Morgengrauen auf, wenn Ihr schon so bald reisefertig sein könnt.«
Als Robert Hay die Bibliothek verlassen hatte, saß John Campbell noch eine ganze Minute lang unbeweglich da. Dann nahm er eine Karaffe und warf sie mit einem üblen Fluch quer durchs Zimmer an die Wand. Er ging in den Stall, sattelte Dämon und ritt aus dem Tal, als wäre ihm der Teufel auf den Fersen.
Nach einem wilden Galopp zügelte er schließlich das Pferd. Was zum Teufel ist eigentlich mit dir los? Hattest du etwa den lächerlichen Plan im Hinterkopf, Elizabeth Gunning zu deiner Frau zu machen? Herr im Himmel, Mann, selbst wenn sie von niederem Adel wäre, würde deine Familie sie niemals akzeptieren! Plötzlich erfüllte Elizabeths Duft seine Nasenflügel, und ihm wurde klar, dass alles, was Robert Hay ihm berichtet hatte, nichts daran änderte, wie er für sie empfand. Seine Pflicht der Familie gegenüber stellte eine Heirat außer jede Frage, aber sie bezauberte ihn, und er hatte vor, sie sich zu eigen zu machen. John lachte höhnisch über seine eigene Dummheit. Du hast doch wohl nicht einmal im Geheimen daran gedacht, sie zu deiner Frau zu machen, oder?
Bridget Gunning machte noch einen Besuch in der Schauspieleragentur in der Drury Lane, wo sie wieder Sixpences an arbeitslose Schauspieler verteilte. Dann schickte sie anonym kurze Berichte an die modischen Zeitungen, aus denen man erfahren konnte, wo die schönen Gunning-Schwestern zu sehen sein würden. Am Tag bevor sie zum königlichen Empfang im St. James Palast eingeladen waren, bestand Bridget darauf, mit ihren Töchtern einen Spaziergang im Hyde Park zu machen, bevor das Wetter endgültig kalt wurde.
Begleitet von ihrer Zofe nahmen sich die Gunning-Da- men eine Kutsche bis zur Park Lane. Als sie dort ankamen, trug Bridget dem Kutscher auf, sie wieder zu erwarten. Elizabeth und Maria hatten kaum ihre Sonnenschirme geöffnet und ihren Spaziergang begonnen, als sich mit Rufen und Fingerzeigen eine Menge von Leuten um sie zu sammeln begann. Der Pöbel wurde bald dreist und echte Unruhe entstand. Emma schlug mutig auf die Männer ein, die die Mädchen anzufassen versuchten, und eine ganze Reihe von adligen Damen, die auch spazieren gingen, kamen den Gunnings zu Hilfe. Bis man schließlich die Polizei rief, war es Bridget gelungen, ihr Töchter in die Kutsche zurück zu bugsieren, und die Schuldigen verschwanden.
Auf der Fahrt zurück in die Great Marlborough Street presste Bridget wütend die Lippen zusammen. »Davon wird der König erfahren!«, schnaubte sie, was Maria außerordentlich erfreute und Elizabeth entsetzte.
Das Gedränge beim königlichen Empfang im St. James Palast belegte das ungeschriebene Gesetz, dass man eine solche Einladung nicht ablehnen konnte. Obwohl es modisch war, dass die Matriarchinnen der Gesellschaft sich
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