Die irre Heldentour des Billy Lynn
doch den Satz von Clausewitz, Krieg ist einfach Politik mit andern Mitteln.« Pause. »Nein, du Analphabet, nicht Die Kunst des Krieges . Dieser deutsche Von , der Preuße.« Schweigen. »Meine Fresse, du und Sun Tsu gelesen. Du hast doch höchstens die Reader’s-Digest-Fassung gelesen. Oder wahrscheinlich bloß die Blurbs.« Albert starrt finster nach unten und hört zu. Und wie er zuhört. Seine Mundwinkel zucken, die behaarten Finger zuppeln am Tischtuch.
»Sag mir mal eins, Larry, wie willst du einen Film über diesen Krieg ohne Politik machen? Willst du lieber’n Videospiel oder worüber reden wir hier?«
Die Bravos tauschen kurze Blicke. Der macht das gar nicht blöd, finden alle.
»Okay, jetzt sag ich dir mal was zu Politik. Meine Jungs sind Helden, richtig? Amerikaner, richtig? Sie sind eindeutig auf der richtigen Seite, und sie haben den andern einen unmissverständlichen Arschtritt verpasst, wann bitte hat dieses Land so was zum letzten Mal erleben dürfen? Das meine ich mit Politik, Larry, es geht einfach darum, dass man zu Amerika endlich wieder ein gutes Gefühl hat. Sieh’s mal als Mischung aus Rocky und Platoon , dann kommst du in die Spur.« Pause. Augenrollen. Ahaa, ahaa, ahaa. »Hör zu, wir sind hier grad beim Cowboys-Spiel, und ich kann dir nur sagen, so was hab ich noch nicht gesehen. Die Jungs können keinen Schritt tun, ohne dass sofort ein Mob um die rum ist, das ist genau wie damals bei den Beatles.«
Die Bravos sehen sich an. Erstaunlich viel von dem, was Albert sagt, stimmt.
»Du, red mal mit Bob. Der braucht gerade dringend’n Hit, und ich kann ihm einen liefern, auf dem Silbertablett, verdammt noch mal.« Schweigen. »Jesus.« Wieder Schweigen. »Ach, leck mich, klar ist Thanksgiving. Glaub’s mir einfach, Hilary hat Interesse. Du wirst noch froh darüber sein.«
»Probleme?«, fragt Dime, als Albert aufgelegt hat.
»Nee. Das Übliche.« Albert nimmt einen kräftigen Schluck Cowboyrita und schüttelt sich. »Alles Buchhalter, was heutzutage die Studios leitet. Zwerge in Maseratis, Knirpse in dicken Anzügen. Die müssen sich jeden Morgen erst mal selber googeln, damit sie noch wissen, wer sie sind.«
»Hast du nicht gesagt, dass Oliver Stone in Vietnam war?«, fragt Sykes.
»Ja, Kenneth, hab ich. Dass der durchgeknallt ist, hatte ich aber dazugesagt, oder? An Geld kommt der sowieso nicht dran. Und wenn ich auf den Strich gehen muss, um diesen Film zu machen, dann tu ich das, ich glaube nämlich an euch.«
Niemand weiß, was das genau heißen soll, aber erst mal lockt das Buffet. Als sie sich Nachschlag holen wollen – nur Dime, Albert und Major Mac bleiben am Tisch –, steht eine lange Schlange davor, und sobald die anderen Gäste die Soldaten sehen, treten sie einen Schritt beiseite und wollen sie unbedingt vorlassen. Team Bravo winkt höflich ab, erntet aber nur fröhliches Gezeter. Vorwärts! , kommt immer wieder, gespielt tadelnd. Nun mal ran da, los! Als die Bravos gehorchen, glucksen alle zufrieden und gerührt über diese famosen strammen amerikanischen Jungs mit den breiten Schultern und den exzellenten Manieren und der Fähigkeit, alles in Sichtweite zu vertilgen. Alle sind glücklich. Wieder so ein Moment. Haltung ist gezeigt, Vermutungen sind bestätigt worden, jetzt dürfen sie selbst auch weitermachen und den Tag genießen. Billys Kater hat beim ersten Kalorienbombardement schockartig den Rückzug angetreten, und auch bei der zweiten Runde staunt Billy wieder über das hinreißende Angebot, edelholzgemasertes Truthahnfleisch unter der Goldkruste, geile saftige Gemüseauflaufkaros, üppig aufgetürmte Farcen und Kartoffeln in sechs Variationen, püriert und im Stück, auch eine exotische purpurrote, eigenartig attraktiv geädert wie schimmelnder Sauerteig. Hier in den gottgesegneten Gefilden von Mainstream-Amerika wird zivilisiert gegessen und zivilisiert geschissen, und zwar in Innenräumen, in Frieden, in Toiletten mit Spülung, in der normalen anständigen Intimität, wie Gott sie vorgesehen hatte, und nicht draußen auf weithin einsehbaren Flecken in der barbarischen Wüste, wo einem die Natur wie ein Pitbullwelpe am Arsch rumknabbert. Vielleicht, dämmert es Billy, ist das überhaupt der ganze Clou an der Zivilisation, dass man wunderschönesEssen zu sich nimmt und geziemend wieder abführt, und er ist unbedingt dafür, jetzt, wo er den Bauch in der einen Richtung voll hat.
Auf dem Rückweg geht das Gekicher wieder los. Ohne Grund, die Bravos sind
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