Die irre Heldentour des Billy Lynn
Ausstieg mitten in der Karriere hatte er selbst gewollt. Damals ging in Hollywood ein Paradigmenwechsel vor sich, die Studios nahmen Produzenten nicht mehr auf Dauer unter Vertrag, und Albert hatte gerade zum dritten Mal geheiratet und eine neue Familie gegründet. Geld hatte er mehr als genug, um sich in Ruhe eine Weile zurückzuziehen, aber jetzt, drei Jahre später, juckt es ihn wieder, er will zurück ins Spiel. Dank ein paar alter Freunde hat er eine kleine eigene Firma auf dem MGM-Gelände, mit einer ebenfalls von MGM gestellten Sekretärin und Assistentin. »Gefällt mir da, wo ich jetzt bin«, hatte er den Bravos beim ersten persönlichen Treffen erzählt. »Keiner über mir, kein Druck. Ich fühle mich wieder wie ein Kind, ich kann tun und lassen, was ich will.«
Und falls seine geile junge Frau (die hatten die Bravos natürlich auch gegoogelt) verschnupft sein sollte, weil Albert an Thanksgiving nicht zu Hause ist, was soll’s, sie ist ein liebes Kind. Sie hat Verständnis für das, was sein Job verlangt. Gerade beobachtet Albert mit Interesse, wie ein paar Stammgäste des Stadium Clubszum Bravo-Tisch kommen, um ihre Honneurs zu machen. Die Männer sind der Typ rüstiger, properer Bankdirektor oder Kleinstadt-Bürgermeister mit silberweißen Haaren, lauter sonnengebräunte, fitte Sechzigjährige, die beim Tennis noch immer locker die Bälle schmettern. Die Gattinnen sind entschieden, aber nicht demonstrativ jünger, allesamt blond, allesamt wandelnde Werbung für Selbstoptimierung durch straffe chirurgische Architektonik. Bin ja so stolz , sagen die Männer und gehen händeschüttelnd einmal um den Tisch. So dankbar, so eine Ehre. Wächter. Freiheiten. Fanatiker. TärrRoa. Die Frauen folgen einen Schritt dahinter und überlassen ihren Männern das Wort, sie sehen nur zu, leise wehmütig lächelnd, aber ohne irgendeinen erkennbar lüsternen Hauch.
Dann guten Appetit , sagen die Männer beim Gehen, im Tonfall von Obern mit weißen Handschuhen, ein Gemisch aus keine Widerworte und Gut-zu-Reden. »Die lieben euch aber wirklich«, stellt Albert fest, als alle weg sind. Crack prustet los.
»Wenn die uns so lieben, können die uns gern ihre Frauen – «.
»Klappe«, blafft Dime, und Crack hält sie.
»Ich meine, alle lieben euch, ob schwarz, weiß, reich, arm, schwul, hetero, alle . Ihr seid die Helden der Chancengleichheit im einundzwanzigsten Jahrhundert. Hört mal, ich bin ja sonst auch bloß der Zyniker von nebenan, aber eure Geschichte trifft hier wirklich einen Nerv. Ihr habt da im Irak richtig was geleistet, ihr seid da voll reingegangen und habt ein paar richtig schlimmen Fingern in den Arsch getreten. So was findet selbst ein Pazifistentrottel wie ich klasse.«
»Ich hab sieben erwischt«, sagt Sykes, und das sagt er immer. »Sieben mit Sicherheit. Ich glaub aber mehr.«
»Hört mal«, sagt Albert, »was Team Bravo an dem Tag getan hat, das ist eine andere Art von Wirklichkeit, und die habt ihr erfahren. So Leute wie ich waren ja Gott sei Dank nie in einemGefecht, wir können überhaupt nicht nachvollziehen, was ihr durchgemacht habt, deshalb kriegen wir die Absagen von den Studios, glaub ich. Diese Hollywoodfritzen leben in einer Seifenblase, und wisst ihr wie? Die schlimmste Tragödie in deren Leben ist, wenn ihre asiatische Maniküre mal einen Tag freihat. Ihr eigenes Urteil nach dem Wert eurer Erfahrung zu richten, das ist für solche Leute schlicht falsch, nein, viel schlimmer als falsch, das ist Moral-Porno. Die haben nicht die geringste Peilung für das, was ihr geleistet habt.«
»Dann erklär du’s denen«, sagt Crack.
»Ja, erklär du’s denen«, sagt A-bort, und Team Bravo skandiert spontan unisono: Erklär du’s, erklär du’s, erklär du’s. Es klingt wie Froschgesang oder betende Mönche. Die Clubgäste in der Umgebung schmunzeln und glucksen, als sei das Ganze ein ausgelassenener Studentenulk. Der Chor bricht so jäh ab, wie er begonnen hat.
»Sag doch Hilary, die soll’s denen erklären«, sagt Dime.
»Tu ich ja, Großer. Da ist noch so viel festzuklopfen bei diesem Deal.« Alberts Handy summt, und er sagt als Erstes: »Hilary hat offiziell Interesse.« Dann: »Klar hat sie. Die Rolle ist ja sehr körperlich, und sie ist eine sehr körperliche Schauspielerin. Und Patriotin ist sie auch. Sie will das wirklich machen.« Pause. »Soweit ich weiß fünfzehn Millionen.« Pause. »Ob das was Politisches wird?« Albert rollt die Augen, extra für die Bravos. »Larry, du kennst
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