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Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Fountain
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einfach aufgekratzt, im Glukose-Hoch wegen des Essens, aber kaum am Tisch werden sie von Dime angepfiffen, sie sollen sich auf ihren Arsch setzen und die Klappe halten, und er meine das ernst. Irgendwas ist passiert. Aber was? Sie werden es bald erfahren. Grazer und Howard, das mächtige Produzent-Regisseur-Gespann, haben durchblicken lassen, dass sie den Bravo-Film sehr gern machen würden, die Universal-Studios haben sogar eine mündliche Zusage gemacht, allerdings unter der Bedingung, dass die Story in den Zweiten Weltkrieg verlegt wird. Im Augenblick ist für Team Bravo nur erkennbar, dass Dime urplötzlich zickt, als hätte er seine Tage, Albert dagegen weiter wie gehabt alles cool sieht und gemächlich eine SMS in sein Black-Berry tippt. »Ein Herr und Meister der Psyche«, hatte Shroom gesagt, nachdem Dime Billy fast einen ganzen Vormittag lang Feuer unterm Arsch gemacht hatte, bloß weil Billy am Abend vorher seine Nachtsichtbrille im Humvee hatte liegen lassen. Liegestütze, Bauchpressen, Isometrik mit Sandsack, danach sechs mörderische Runden, rund sechs Kilometer bei knapp vierzig Grad am Innenring der Basis entlang. »Du weißt nie, was er vorhat, also versuch’s gar nicht erst«, hatte Shroom empfohlen.
    »Er ist’n Arschloch«, hatte Billy gekontert.
    »Ja, isser. Und dafür liebt man ihn noch mehr.«
    »Scheiß drauf. Ich hasse den Drecksack.«
    Shroom hatte gelacht, aber er durfte das, er war mit Dime in Afghanistan gewesen und der Einzige im Team Bravo, dem Dime nie den Arsch aufriss. Der Wortwechsel hatte unter dem Tarnnetz stattgefunden, das Shroom vor seinem Container aufgespannt hatte und unter das er sich in seiner Freizeit zurückzog, um inseinem Campingstuhl mit Tarnfleckmuster, den er in Kuwait gekauft hatte, zu rauchen und zu lesen und das Wesen aller Dinge zu erforschen. Billy wird ruhiger, wenn er sich an dieses Bild erinnert, Shroom barfuß, ohne Hemd, Zigarette in der Hand, mit einem Buch auf dem Schoß, Slowly Down the Ganges. Shroom war schwer auf dem ethnobotanischen Mysti-Trip, er sah schon selbst aus wie ein magic mushroom , ein shroom , ein riesiger Zauberpilz, ein weißer Mann mit hängenden Schultern, viel Fleisch und zu wenig Melanin, vom Körperbau her der Typ Seekuh, aber erstaunlicherweise stark wie ein Fabrikarbeiter. Shroom konnte mit einer Hand aus dem Bord-MG feuern, als wäre es eine Pistole, und mit der anderen die Kaliber-50-Munition zum Nachladen klarmachen, er schleppte Zwanzig-Kilo-Säcke mit Hilfsgüterreis, als wären es Sitzsäcke mit Styroporkugeln. Alle zwei Tage schor er sich den Kopf, eine erstaunlich zierliche Kugel, irgendwie ein paar Nummern zu klein für seine Figur. In hitzigen Situationen leuchtete sein Gesicht auf wie die wirbelnden Tropfen in Lavalampen, er schwitzte auch nicht, er sekretierte regelrecht, und zwar eine ölige Substanz, die sich wie eine Schicht Schlick aus abgestandener Marinade über seinen Körper legte.
    »Wäre der Mond bewohnt«, pflegte Dime zu sagen, »die Leute da sähen alle aus wie Shroom.«
    Von Shroom hatte Billy auch erfahren, dass Dimes Vater ein höchst einflussreicher Richter in North Carolina war. »Dime is money« , hatte Shroom gesagt. »Das soll man aber nicht groß wissen. Aber du weißt ja, was das heißt.«
    Nein, hatte Billy gesagt. Was denn?
    »Das heißt, es ist alteingesessenes Geld.«
    Sie hatten das schrägste aller schrägen Paare abgegeben, Adonis Dime im Verein mit Mondkalb Shroom, und sie schienen mehr voneinander zu wissen als unter normalen Umständen für gesund erachtet würde. Ab und zu machte Dime Anspielungen aufShrooms grauenhafte Kindheit, anscheinend eine Geschichte von Tiefschlägen in epischer Breite, zu der auch eine Episode in einer religiösen Einrichtung für Streuner gehörte, oder wie Dime sich ausdrückte, ohne dass Shroom je mit der Wimper zuckte, im Baptistischen Analerlöserheim für Deplatzierte Knaben in Pofick, Oklahoma. Billy vermutete, dass Shroom daher sein beeindruckendes Repertoire an Bibelzitaten hatte, auch seine gnomischen Lehrsätze wie: »Jesus war keine Umzugsfirma«, und: »Wir sind alle Gottes Zuckerschnecken, ob wir wollen oder nicht.« In Shrooms Welt waren Ziegelsteine »Erdkekse«, Bäume »Himmelsgesträuch« und Frontinfanteristen allesamt »Kanonenfutter«, und was immer die Medien über Fortschritte im Krieg erzählten, waren »Lügensprüche für deinen Grabstein«. Am Anfang, vor seiner ersten echten Kampferfahrung, hatte Billy ihn gefragt, wie das so

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