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Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Fountain
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zack , riss der Pawlowsche Hund da unten wild den Kopf hoch. In anderthalb Minuten war Billy fertig, seinetwegen würde also niemand warten müssen, und als Nächstes stellte er mit Freuden fest, dass ihm seine alten Hemden zu eng geworden waren, so viele Muskeln hatte er sich draufgeschafft, und dass die Jeans in Taillenweite 30 schlackerten. Abends im Bett holte sich wieder einen runter, morgens beim Aufwachen gleich noch mal, und jedes Mal mit dieser entspannten Leichtigkeit, mit der man an etwas wiederanknüpft, so als hätte eine alte Freundin ihn zärtlich wieder in die Arme geschlossen. Was für ein Luxus, nicht in irgendeinem gruseligen verstunkenen Dixieklo mit seinen männlichen Bedürfnissen konfrontiert zu sein oder, noch schlimmer, in einer knochenharten Mulde auf dem Schlachtfeld, ringsum überall Todfeinde und immer, immer , immer irgendetwas aus der Natur, das einen drangsaliert, mit dem man fertig werden muss, Käfer, Regen, Wind, Staub, extreme Temperaturen, kein Elend zu gering für etwas so Geringes wie einen Mann. Also lass es bleiben, für Amerika, jawoll! Aber da, wo ein Junge im eigenen Zimmer aufwachsen darf, mit einer verschließbaren Tür und einem unerschöpflichen Geheimvorrat an Internetpornos, da möge Gott Seine Gnade über dich ergießen.
    »Ist das schön zu Hause«, sagte er beim Frühstück, es gab Cheerios,Schinken und Eier, Zimtrosinentoast, Orangensaft, Kaffee und Krispy-Kreme-Donuts. Für mittags waren hausgemachte Erbsensuppe, Waldorfsalat, Fried Bologna Sandwiches und warme Brownies geplant. Und abends ein ganz langsam gegarter Schmorbraten mit Karotten, Kartoffeln und Frühlingszwiebeln, gedünsteter Rosenkohl, Zitronengötterspeise und Schokokaramelltorte mit Blue-Bell-Eiscreme. Denise hatte einen Tag freigenommen, »diesen besonderen Tag«, sagte sie beim Frühstück immer wieder, und Kathryn echote zurück, verzückt wie eine akustische Glückwunschkarte, prompt riss Ray die Kaffeekanne um, röhrte seelenruhig ins Wohnzimmer und ließ die anderen die Sauerei wegmachen. Kaum wieselten alle mit Lappen und Küchentüchern in der Küche herum, donnerte im Wohnzimmer die Fox-News-Fanfare los.
    »Guckt der das den ganzen Tag?«, fragte Billy. Mutter und Schwestern schenkten ihm einen langen Leidensblick. Willkommen in unserer Welt.
    Nach dem Frühstück ging Billy mit seinem kleinen Neffen im Garten spielen. Es war ein milder Herbstmorgen mit einer hohen blauen Himmelskuppel, die Luft war schwer vom Duft der süßsaftigen roten Äpfel und dem leisen melancholischen Honighauch von gärendem Gemüse und illegalen Laubfeuern. Billy rechnete fest damit, dass ihm spätestens nach zehn, fünfzehn Minuten zum Gähnen langweilig sein würde, aber eine halbe Stunde später spielten die beiden immer noch. Billy hatte nur sehr begrenzte Erfahrungen mit kleinen Kindern, infolgedessen hielt er Vorkindergartenknirpse für Kreaturen auf dem Niveau eher uninteressanter Haustiere und war entsprechend wenig gefasst auf die phänomenale spielerische Variationsbreite seines kleinen Neffen. Egal, was Brian in die Finger bekam, er dachte sich sofort aus, in welche Art Interaktion er damit treten konnte. Blumen – tätscheln und schnuppern. Dreck – buddeln. Der Maschendrahtzaun– rütteln und klettern, sich in den Maschenknoten festbeißen. Eichhörnchen – mit laschen Stöckchenwürfen scheuchen. »Warum?«, fragte er andauernd, und seine niedliche Glockenstimme klang so rein wie in einem kristallenen Eimerchen kreiselnde Murmeln. Warum deht das dem Baum hooch? Warum sdahn Ne-hest? Warum dammelt der Nüsse? Warum? Warum? Warum? Und Billy beantwortete jede Frage nach bestem Wissen, als wäre alles andere respektlos gegenüber der tiefen, womöglich göttlichen Macht, die seinen kleinen Neffen zur Universalbildung drängte.
    Wie soll man das nennen – den göttlichen Funken? Überlebensinstinkt? Den aus Äonen von Forschung & Entwicklung bezüglich natürlicher Auslese hervorgegangenen hochgetuneten Computer eines Spitzenhirns? Man konnte die Neuronen geradezu durch den kleinen Schädel flitzen sehen. Der kleine Körper war ein einziges Federn und Wirbeln, ein rasant zuckendes Muskelbündel, das zarte, nach Blumen und reifen Birnen duftende Schweißwölkchen verströmte. Diese Vollkommenheit in einem so kompakten kleinen Menschen – Billy musste ab und zu handgreiflich werden, ihn quiekend zu Boden ringen, bloß um den kleinen Strolch anzufassen, er war einfach anbetungswürdig mit seinen knapp

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