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Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Titel: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordi Punti
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eins mit uns vieren darauf mitgenommen. Vielleicht wünschten wir uns das auch nur.
    Beim Abendessen besprachen wir uns. Gut, der Eindringling musste nicht unbedingt Gabriel gewesen sein, aber es schien uns das Logischste, und wir wollten ja gerne glauben, dass er am Leben war. Schon deshalb mussten wir uns an diese Hypothese klammern. Das hieß, er wusste nun, dass wir vier Brüder uns kennengelernt hatten und dass wir ihn suchten. Er wusste, dass wir verrückt genug waren, um uns immer wieder alle in Barcelona zu treffen. Und dass die Wohnung im Carrer Nàpols zum Sitz des erstaunlichen Klubs der Christofs geworden war. Wir wogen diese Fakten ab und sahen uns auf einem guten Weg, doch zugleich galt es, nicht zu optimistisch zu sein; schließlich handelte es sich um unsern Vater. Er selbst hatte den ersten Schritt getan, indem er die Liste mit unseren Namen auf dem Nachttisch hinterließ, oder? Es schien ein kalkulierter Eröffnungszug, um dann weiter Schritt für Schritt vorzugehen. Darum wäre es naiv, nun zu erwarten, er würde einfach so zurückkommen. Wir besannen uns auf unsere Grundannahme, dass er ja auch nicht – schwups – von einem Tag auf den anderen verschwunden war, sondern sich ganz allmählich aufgelöst hatte. Entsprechend mochte nun ein gegenläufiger Prozess im Gang sein: Anstatt plötzlich wieder zu erscheinen, streute er bröckchenweise Indizien aus, damit wir ihn weiter suchten.
    Vermischt mit der Anspannung des Tages, der Müdigkeit und ein paar Flaschen Wein machten diese Folgerungen uns sentimental. Was würde aus uns Christofs werden, wenn wir unseren Vater wiederfänden? Würde es unsere Leben verändern? Würden wir uns danach weiter treffen? Vielleicht wäre es das Beste, den Dingen ihren Lauf zu lassen und fürs Erste unsere Freundschaft zu feiern. Zum Kuckuck mit dem Vater. Christof, der Theatralischste und Betrunkenste von uns, lallte, wir sollten einen Bruderpakt schließen, aber erklärte nicht näher, was er damit meinte. Chris hatte sich in eine Ecke zurückgezogen, als könnte er durch sein Schweigen jeden Gedanken an die Zukunft von sich fernhalten. Cristòfol fragte sich laut, was wichtiger sei, der Weg unserer Suche oder ihr Erfolg – der Zweck oder die Mittel; und Christophe provozierte ihn mit Verweisen auf die Theorien von Zufall und Notwendigkeit. Schließlich kam einem von uns die rettende Idee, auf unsere Mütter anzustoßen.
    In dieser Nacht schliefen wir alle mit schwirrenden Köpfen ein, Cristòfol bei sich zu Hause, die anderen Christofs im selben Hotel wie immer. Als wir uns am Morgen wieder trafen, übertrieben wir den Kater, den wir hatten, und taten so, als würden wir uns an unseren nächtlichen Anfall von Psychodrama nicht erinnern. Die Neuigkeiten drängten uns zum Handeln. Christophe brachte eine Überraschung mit in den Frühstücksraum, die er uns über all das Geschwätz am Vortag zu zeigen vergessen hatte. Auf den ersten Blick viel weniger spektakulär als die Reste des Pegaso, erwies sich dieses Mitbringsel nun als äußerst wichtig. Ein Freund und Kollege von Christophe an der Universität, vom Fachbereich Angewandte Informatik in der Physik, hatte ein Programm zur Erstellung besonders präziser Phantombilder entwickelt. Die Verlässlichkeit war so hoch, dass ihm sogar der französische Geheimdienst die Software abgekauft hatte. Christophe hatte ihm ein Foto unseres Vaters gegeben, das späteste, das wir haben, aus dem Jahr 1975, und der Computer hatte daraus Gabriels heutiges Gesicht errechnet. In einem verschlossenen und spöttisch mit »Top Secret« beschrifteten Umschlag hatte der Freund Christophe das Ergebnis überreicht, und Christophe hatte entschieden, es erst zusammen mit uns anzusehen. Und nun die Überraschung. Wir beschlossen, den Umschlag feierlich nach dem Frühstück zu öffnen, einstweilen bekämpften wir den Kopfschmerz mit starkem Kaffee und kindischem Gespräch.
    »Ob wir ihn wiedererkennen? Ich habe mir oft überlegt, wie er jetzt wohl aussieht.«
    »Die Gesichtsstruktur verändert sich nicht sehr, sagt mein Freund.«
    »Ja, aber bedenke, dass er nun über sechzig Jahre alt ist.«
    »Ja, schon kurz vor der Pensionierung. Falls er je wieder gearbeitet hat.«
    »Ob er jetzt weißes Haar hat?«
    »Oder dicker geworden ist?«
    »Oder dünner, vielleicht isst er nicht richtig.«
    »Nun tut doch nicht so doof. Das alles kann der Rechner nicht wissen, der macht bloß eine Skizze vom Gesicht. Das Programm basiert auf der erwartbaren

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