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Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Titel: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordi Punti
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durchkommen lasse. Er kannte drei oder vier wichtige Pokertische in der Stadt, darauf kam es an. Gespielt wurde immer freitags und samstags in einfachen, eher schäbigen Bars, also an Orten, wo sich die Großmäuler tummeln, die auf schnelles Geld und noch schnelleren Suff aus sind. Gabriel spielte mal hier mit, mal da, sodass nicht auffiel, dass er sich damit seinen Lebensunterhalt verdiente. Nie saß er zwei Wochen in Folge am gleichen Kartentisch …«
    Der Kellner hatte richtig gelegen, nach jener letzten Nacht im Carambola hatte Miguélez bei der Polizei Gabriels Adresse ausfindig gemacht. Am Dienstagabend kam er dann zusammen mit Feijoo zur Wohnung. Mit Wut und Cognac vollgetankt, trommelten die beiden gegen Gabriels Tür und schrien, sie würden ihn umbringen, wenn er das Geld nicht zurückgäbe. Er habe ja wohl nicht vergessen, dass sie eine Pistole hätten. Trotz all des Lärms gab Gabriel kein Lebenszeichen, und nach einer Stunde waren sie es leid und zogen ab …
    »Aber am nächsten Tag kamen sie wieder. Und am übernächsten. Und am Tag danach«, berichtete Giuditta. »›Wir wissen, dass du da drinsteckst, Hurensohn, und wir lassen nicht locker, bis du rauskommst!‹, brüllten sie abwechselnd. Eine feste Zeit hatten sie nicht, mal kamen sie frühmorgens, am nächsten Tag abends. Manchmal, wenn ich von der Arbeit heimkam oder zum Einkaufen rausging, sah ich irgendeinen Unbekannten, der zwei Häuser weiter herumstand und auf ziemlich tölpelhafte Weise den Eingang überwachte. Man sah es ihm auf eine Meile Entfernung an. An einem Freitag war es, glaube ich, da kamen sie wieder, und Miguélez fing mit einer neuen Masche an. ›Es ist besser für dich, wenn du rauskommst, Delacruz‹, sagte er. Seine Stimme klang dabei so herrisch und selbstsicher, dass man Gänsehaut davon bekam. Gabriel meinte, da komme der Polizist aus der Franco-Zeit durch, den er in sich trage. ›Es geht jetzt nicht mehr ums Geld, Arschloch. Sondern um die Ehre, um etwas Persönliches, und bei meiner heiligen Mutter, wir werden hier nicht aufhören, bis wir dir bei lebendigem Leib die Haut abgezogen haben. Weißt du, ich habe gute Freunde bei der Polizei, und wenn es sein muss, besorge ich mir einen Durchsuchungsbefehl, und wir schlagen dir die Tür ein.‹ Er zog die Wörter in die Länge, und ich weiß nicht, diese gedehnten Vokale klangen für mich nach Paranoia; das war die Stimme von jemandem, der es gewohnt ist, mit Drohungen und mit Folter zu arbeiten …«
    Als die Belagerung durch Miguélez und Feijoo intensiver wurde, mit diesem Rückfall in die Methoden der Diktatur, hatte Gabriel das Haus schon seit einer Woche nicht mehr verlassen. Jahre zuvor, kurz nachdem Giuditta neben ihm eingezogen war, hatten sie und unser Vater eine, sagen wir, eigenartige Liebesbeziehung angefangen. Wir Christofs haben also, hier die zweite große Nachricht, eine neue Stiefmutter, wenn wir es so nennen wollen. Die fünfte Mutter, die italienische, auch wenn sie nicht mehr in dem Alter ist, um einen weiteren Christof zu gebären. Von Beginn an hatten Giuditta und unser Vater abgemacht, dass sie beide in ihrer jeweiligen Wohnung bleiben und in gewisser Weise weiter eigenständig leben würden. Zusammen sein würden sie, wenn sie einander brauchten … Das gleiche Lied wie immer, wie es jeder von uns von seiner Mutter gehört hat.
    »In manchen Wochen sahen wir uns nur sonntags, aber das war kein Problem«, sagte Giuditta. »Die Freude, uns wieder zu treffen, machte dann alles wett. Hinzu kam, dass die Nachbarn nichts ahnten, und diese Heimlichkeit fanden wir aufregend. Gabriel, das habt ihr ja schon gesehen, lebte wie ein Flüchtling, nur mit dem Allernötigsten, als erwarte er jeden Moment ein Signal, auf das hin er ins Ausland abhauen würde, so schnell er konnte. Ich kannte dieses Auf-dem-Sprung-Sein aus meiner Zeit beim Zirkus. An einem Tag zum Beispiel klingelte er bei mir an der Tür und stand da mit einer Reisetasche in der Hand und einem Grinsen bis über beide Ohren. ›Gehst du weg?‹, fragte ich ihn. ›Nein‹, sagte er erstaunt. ›Ich komme, um ein paar Tage bei dir zu bleiben. Also wenn du Lust hast …‹ Abends, als wir schlafen gehen wollten, merkte er, dass er seine Zahnbürste vergessen hatte. ›Geh sie doch holen‹, sagte ich, aber er hatte keine Lust. ›Zu weit weg‹, antwortete er. Ich dachte erst, das sollte ein Witz sein, aber dann nahm ich in seinem Blick tatsächlich eine unüberwindbare Distanz wahr …«
    Ja, die

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