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Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Titel: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordi Punti
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heimlich in seine Wohnung hinüber, um es zu holen. Diese Flitterwochen – der Ausdruck ist von Giuditta – währten fast drei Monate …
    »Trotz allem glaube ich nicht, dass Gabriel jemals meine Wohnung auch als seine Wohnung betrachtet hat. Er sagte gerne, er verbringe nun einige Zeit in Italien. Das fehlte ihm ja noch. In seiner Zeit als Fernfahrer war er in halb Europa unterwegs gewesen, aber nie in meinem Land. Er bat mich darum, ihm italienische Wörter beizubringen, und dann vermischte er sie mit den anderen Sprachen, die er kannte. Das Resultat war schwindelerregend. Wenn wir zusammen zu Hause saßen, erzählten wir uns von unseren Reisen, um der Isolation zu entfliehen. Er berichtete mir also von seinen Abenteuern bei den Möbeltransporten, ich ihm vom Vagabundenleben mit dem Zirkus. Wir malten uns aus, was ja nicht völlig abwegig war, dass vor Jahren der Umzugslaster einmal in irgendeinem Dorf haltgemacht hatte, wo wir gerade gastierten.«
    Giuditta hatte Mühe, sich nicht in diesen süßen Erinnerungen zu verlieren und stattdessen in die Gegenwart zurückzukehren.
    »Mit Gabriels schwerelosem Zustand, den ich mit meinen Zeiten am Trapez verglich, nie mit den Füßen am Boden, war es aber schließlich vorbei …«
    In diese Phase fiel eine weitere für unsere Geschichte entscheidende Entwicklung: die, man gestatte uns ein wenig zu übertreiben, Zerstörung von Gabriels Wohnung, ihr äußerlicher Verfall. Eines Morgens erschien ein Elektriker von der zuständigen Firma, um im Haus ein paar Reparaturen zu erledigen. Er trug einen Blaumann und einen Werkzeugkasten. Als Giuditta ihm öffnete, zeigte er einen Ausweis von der Firma vor und fummelte dann eine Weile lang an ihrem Stromzähler herum. Gabriel hielt sich im Schlafzimmer versteckt, und sie überwachte den Elektriker, der Kabel kurzschloss und haufenweise unverständliche Erklärungen über die Reparatur abgab. Danach fragte er, ob sie den Nachbarn kenne. Bei dem habe er geklingelt, aber es habe sich niemand gemeldet. In aller Arglosigkeit erbot sie sich, ihm die Wohnung aufzuschließen. Der Handwerker wirkte kaum überrascht, nur dankbar für den Zufall. Er trat ein, um auch dort ein paar Kabel im Stromzähler zu prüfen, wieder unter Giudittas wachsamem Blick. Als er fertig war, bedankte er sich bei ihr und verschwand, ohne in die höheren Stockwerke zu gehen. Das kam ihnen merkwürdig vor, aber sie schöpften keinen Verdacht gegen den Mann. Am selben Abend jedoch ging Giuditta in Gabriels Wohnung, um irgendetwas zu holen, und da stellte sie fest, dass es kein Licht mehr gab. Im Schein einer Kerze untersuchte sie den Stromzähler und hatte den Eindruck, dass er blockiert war. Gleich am nächsten Morgen würde sie bei der Firma anrufen und sich beschweren. Doch zu spät. Im Morgengrauen weckte ihre Klingel sie. Giuditta stand auf und war vorsichtig genug, um als Erstes durch den Türspion zu blicken. Da stand Miguélez. Er war zurück. Ohne zu schreien, mit einer singenden Stimme wie eine Schlange, sagte er zu ihr: »Ich weiß, dass du mir nicht aufmachen wirst, aber das ist egal. Falls dein Nachbar wieder auftaucht, frag ihn, wie er ohne Licht zurechtkommen will. Wir haben ihn eingekreist, und wir überwachen ihn vierundzwanzig Stunden am Tag.«
    Gabriel nahm diese Unannehmlichkeit als persönliche Niederlage auf, als verlorene Schlacht in einem Krieg. Sie hatten Feijoo und Miguélez unterschätzt, die waren geschickter als gedacht, und es bestand kein Zweifel, dass sie die Belagerung fortsetzen würden. Diese Typen gaben sich nie geschlagen. Hinzu kam, dass es nichts brächte, sie bei der Polizei anzuzeigen. Auch wenn es feige erscheinen mochte, sah Gabriel fürs Erste den einzigen Ausweg darin, ihnen weiszumachen, dass er sich wirklich aus dem Staub gemacht hätte. Drastische Maßnahmen waren vonnöten. Der erste Schritt würde darin bestehen, die Miete für die Wohnung nicht mehr zu bezahlen, ebenso die Wasser- und Stromrechnungen. Er hatte mit dem Spielen viel Geld verdient und konnte es sich erlauben, für längere Zeit an den Kartentischen auszusetzen. Zudem, sagte er, kenne er das Leben in Klausur schon aus einer anderen Zeit, und es mache ihm nicht besonders viel aus. Dieses stoische Getue ließ Giuditta explodieren. Sie fragte ihn, wie viel Geld er ihnen schulde. Er könne es ihnen doch geben, und die Sache sei erledigt.
    Gabriel weigerte sich: »Die bekommen nie genug. Außerdem bin ich sicher, sie sind nicht wegen des Geldes wütend,

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