Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)
weckte in uns die Abenteuerlust. Unsere Flugzeuge hoben in den Hauptstädten Berlin, London und Paris ab und zeichneten auf der Europakarte drei rote Kurven, die in Barcelona zusammentrafen. Wir umfassten unser Handgepäck mit dem festen Griff von Männern in geheimer Mission. Als wir uns gestern, am Samstag, wie vorgesehen um zwei Uhr mittags im Foyer des üblichen Hotels versammelten, fehlte nur noch, dass wir uns ein Codewort zugeraunt hätten. Am besten einen kryptisch-poetischen Satz wie »Die Bienen bestäuben schon die Magnolien« oder »Bertie sagte, alle Wale haben Syphilis«.
Diese Anspannung begleitete uns durch den ganzen Tag. Und weiß Gott hatten wir Stunden später Anlass, uns zu verkrampfen. Beim Essen im Hotel brachte uns Cristòfol auf den neuesten Stand.
»Wie besprochen, Christofs, habe ich die Wohnung ein bisschen im Auge behalten. Bin ab und zu für eine Weile hin, habe geschaut, ob sich etwas Unerfreuliches getan hat. Das letzte Mal Dienstag am frühen Abend. Ich fand die Wohnung vor wie immer, alles ruhig, wie wir es kennen. Als ich wieder ging, beschloss ich, noch im Carambola vorbeizuschauen. Nicht dass ich mir davon irgendwas erhofft hätte, ich wollte es einfach mal probieren. Da traf ich auf unsern redseligen Kellner, bloß dass er nun so gut wie stumm geworden war. Als er mich eintreten sah, legte er den Finger auf die Lippen. Es war kurz nach sieben, und der Wirt war nicht da. ›Er kommt gleich wieder‹, sagte mir der Kellner, als könnte er Gedanken lesen. ›Er holt Whisky aus einem Lager draußen in Santa Coloma. Ist Schmuggelware, kriegt er billiger. Verschwinde, ich ruf dich an, wenn ich kann …‹ – ›Warum willst du mich anrufen?‹, fragte ich ihn in vertraulichem Ton. Während ich auf seine Antwort wartete, schaute ich mir die Kundschaft an. Ein Junge und ein Mädchen hielten Händchen am abgelegensten Tisch, halb versteckt hinter ihren Mappen und Schulbüchern. Ein Opa dämmerte am Fernseher vor sich hin und schien dabei jeder Bemerkung einer sinnlichen Moderatorin zuzustimmen. An einem anderen Tisch tranken zwei Frauen Cola und blätterten in einem Katalog mit Brautkleidern. Die, die mit dem Gesicht zu mir saß, hatte, seit ich hereingekommen war, den Blick nicht von mir abgewandt. Da der Kellner sich immer noch zu keiner Antwort entschließen konnte, stand sie auf und trat zu mir. Sie war jung und hübsch, mit einem Blick, als würde sie immer kriegen, was sie will. Mir fiel ihre Schürze auf, die länger war als ihr Rock, und ich schloss, dass sie die Wirtin sein musste, Feijoos Frau, die Geliebte des Kellners. ›Hola‹, brummte sie, während sie mich noch einmal von oben bis unten musterte. Dann nickte sie und wandte sich an den Burschen: ›Hast du es ihm schon gesagt, oder was?‹ Mit einer Stimme, als würde sie gerade eine Meeresfrüchteplatte bestellen. Man sah auf eine Meile, dass der Bursche nach ihrer Pfeife tanzte. Widerwillig gab er zurück: ›Misch du dich da nicht ein‹, sie aber legte noch nach: ›Entweder du sagst es ihm oder ich. He, der muss uns helfen …‹, und während sie an ihren Tisch zurückkehrte, ließ sie auf fünf Metern die ganze Kunst des Hinternschwingens sehen. ›Was sollst du mir sagen? Warum muss ich euch helfen?‹, fragte ich, und da erklärte mir der Kellner, zwei Tage zuvor habe er ein Gespräch zwischen Feijoo und Miguélez, dem pensionierten Bullen, belauscht. Es ging um einen gewissen Manubens, Unternehmer mit reichlich Kohle und einer Schwäche fürs Spiel. Sie haben für Samstagabend eine Kartenrunde ausgemacht – also für heute, Christofs. Der Kellner sagte mir, da wird es hart zur Sache gehen. Miguélez, Feijoo und noch ein anderer wollen diesen Manubens ausplündern, bis er im Unterhemd dasitzt. Ich fragte ihn das Gleiche, was ihr gefragt hättet: Was hat das alles mit Gabriel zu tun? Und darauf er: ›Ich weiß nicht, ob es was mit ihm zu tun hat. Ich weiß nur, dass in dem Gespräch sein Name fiel. Miguélez, der keinen Scheiß redet, erwähnte die Methode Delacruz , um Malubens zu rupfen. Ganz genau sagte er: Keine Sorge, Feijoo, wenn wir die Methode Delacruz anwenden, pressen wir alles aus ihm raus. Und dann lachte er laut, weil er sich so unglaublich witzig fand. Ich sage dir ja, irgendwas haben sie mit diesem Gabriel am Laufen …‹ – ›Und wenn er damit meinte, die Pistole zu benutzen?‹, fragte ich, aber er schüttelte den Kopf: ›Nein, nein, Feijoo hat selber zu ihm gesagt, er soll die Knarre
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