Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Titel: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordi Punti
Vom Netzwerk:
Zärtlichkeit, mit der Giuditta von Gabriel sprach, ließ uns an unsere Mütter denken: Alle legten sie die gleiche praktische Vernunft an den Tag, wenn es darum ging, die Resignation über ihn hinunterzuschlucken. Immerhin gestand sie uns, dass diese Liebesbeziehung vor allem den Bedürfnissen unseres Vaters entsprach. In der ersten Zeit hatte sie ihm einmal angedeutet, dass sie vielleicht eines Tages zusammenleben könnten – »noch näher zusammen«, hatte sie gesagt –, doch er hatte erwidert, für die Ehe sei er nicht geschaffen. Und wie jemand, der seine alten Narben vorzeigt, um den Krieg zu verdammen, hatte er ihr dann erzählt, dass er, über Europa verteilt, vier Söhne habe, mit vier verschiedenen Frauen. Und als sie diese Nachricht verdaut – und durch Fotos bestätigt bekommen – hatte, verstand sie besser, wo bei diesem Mann im Sozialverhalten die Grenzen lagen …
    »Ironie des Schicksals«, sprach sie weiter: »Dass Feijoo und Miguélez hinter ihm her waren, hieß, mir wurde das Paarleben auf einem Silbertablett serviert. Am Montagmorgen, drei Tage nach seiner letzten Visite, erschien Miguélez in Begleitung eines Nationalpolizisten. Zum Glück hatte Gabriel in der Nacht bei mir geschlafen und war noch in meiner Wohnung. Wir hörten plötzlich ein Getrampel, durchs Treppenhaus herauf. Dann klopfte der Polizist nebenan an die Tür und verlangte im Namen des Gesetzes, dass man öffne. Er habe einen Durchsuchungsbefehl! Widerstand gegen die Staatsgewalt werde geahndet und bestraft mit weiß nicht mehr, was! Zum ersten Mal waren wir wirklich erschrocken. Und da die Lage von Sekunde zu Sekunde schlimmer wurde, traf Gabriel eine Entscheidung. Er gab mir seinen Wohnungsschlüssel und bat mich, hinaus auf den Treppenabsatz zu gehen. Während er sich im Schrank versteckte, öffnete ich meine Tür, sprach den Polizisten an und erklärte ihm, Herr Delacruz sei verreist. Für sehr lange Zeit, habe er mir gesagt. Für Notfälle habe er mir den Schlüssel dagelassen. Miguélez (ich besah mir nun das Antlitz der Bestie in seiner ganzen Widerwärtigkeit) unterbrach mich mit der Frage, wohin er verreist sei. Ich spielte die Ahnungslose und sagte, ich wisse es nicht. Er habe nur gesagt, weit weg, ins Ausland. Was hat dieser Mann denn verbrochen?, fragte ich: Er wirkte so schüchtern … Der Polizist wich aus: ›Manchmal‹, sagte er, ›gibt es Wohnungen wie diese hier, die angeblich leer stehen, aber eigentlich untervermietet werden, für heimliche Prostitution oder Glücksspiel‹« – Giuditta grinste – »›oder auch als Versteck für illegale Einwanderer.‹ Dann bat er mich um den Schlüssel. Wir gingen alle drei in Gabriels Wohnung, alleine lassen wollte ich sie dadrin nicht, und der Polizist durchsuchte sie, aber sehr oberflächlich. Er sah im Bad nach, hinter dem Duschvorhang, öffnete die Schränke, und das war es auch schon. Alles zack, zack, nur schnell den Job erledigen. Miguélez musste sich zusammenreißen, um ihm nicht dazwischenzufunken. Er hätte gerne auch die Schubladen aufgerissen und die Regale durchwühlt. Es lag auf der Hand, dass der Polizist sich auf dem Holzweg sah. Er tat seinem Freund einen Gefallen, vielleicht schuldete er ihm den, aber er hatte keine Lust, sich unnötige Scherereien einzuhandeln. Auf dem Esstisch lag ein Kartenspiel. Ab und zu legte Gabriel gerne Patiencen. Miguélez griff sich das Spiel und untersuchte es Karte für Karte nach irgendeinem Hinweis auf die Zinkerei. ›Das ist beschlagnahmt‹, sagte der Polizist, und sie nahmen es mit. Diese Geste der Autorität schien sie fürs Erste glücklich genug zu machen, und sie zogen ab. ›Ah, und falls Herr Delacruz hier auftaucht‹, wies mich der Polizist noch an, ›sagen Sie ihm, dass wir ihn suchen.‹ – ›Und dass wir ihn früher oder später auch finden werden‹, setzte Miguélez hinzu …«
    Aber sie trauten der Sache wohl nicht, denn Feijoo und Miguélez kamen nun wieder jeden Tag zu Besuch. Ohne Polizeipräsenz waren sie weniger zurückhaltend, sondern gewohnt aggressiv und ausfällig. Sie schienen es zu genießen. Sie klingelten auch bei Giuditta, um den Wohnungsschlüssel von ihr zu verlangen, aber sie öffnete nicht. Durch die geschlossene Tür sagte sie, dann sollten sie doch bitte wieder einen Durchsuchungsbefehl vorlegen, und schaffte sie sich damit vom Hals. Vorsichtshalber blieb Gabriel nun Tag und Nacht bei ihr. Wenn irgendetwas fehlte, warteten sie bis tief in die Nacht, und sie schlüpfte

Weitere Kostenlose Bücher