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Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Titel: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordi Punti
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dort machten sich die armen Spermien von Gabriel für den Wettlauf ihres Lebens bereit.«
    »Zieh keine voreiligen Schlüsse, Cristoffini. Hör zu, und unterbrich mich bitte nicht. Das ist hier fehl am Platz. Erstens suchten wir beide diese Fernfahrerabsteige auf, um dort zu recherchieren, auch wenn dir das Wort nicht gefällt. Petroli hatte uns vier Christofs aus Fleisch und Blut die Schneesturmgeschichte erzählt, und ich wollte mir ein Bild vom Schauplatz machen. Ich stimme dir zu, dass er heute einen traurigen Anblick bietet. Zweitens musst du wissen, dass der Einzige, der in jener Nacht im Herz-As blieb, Bundó war. Er konnte es mal wieder nicht lassen. Mit leichten Mädchen zu verkehren schien für ihn geradezu eine Lebensnotwendigkeit, fast wie Essen und Schlafen, und nebenbei pustete es ihm den Nebel aus dem Gehirn. Auch wenn der Name und das Eingangsschild des Gasthofs Gabriels spielerischen und spielsüchtigen Instinkt angestachelt haben dürften, entschieden er und Petroli sich für andere, etwas gediegenere Quartiere. Und falls du glauben wolltest, meine Mutter Sigrun hätte im Herz-As gearbeitet, nein, da muss ich dich enttäuschen.«
    »Nie wäre mir so etwas in den Sinn gekommen, Christof, das schwöre ich dir. Die Mütter sind heilig.«
    Cristoffini küsst sich die Fingerspitzen. Für einen Moment scheint er tatsächlich zu erröten, und die Narbe auf seiner Wange glüht auf.
    »Schon besser.«
    »Sprich weiter, Christof, es wird spät. Wir haben Bundó im Herz-As, und da unterhält er sich mit einer Dame, die auch seine Mutter sein könnte, es aber nicht ist, das sei klargestellt, sie ist weder seine Mutter noch die Mutter von irgendwem sonst. Nun müssen wir wissen, was mit Gabriel geschehen ist, mit Petroli und vor allem mit den kleinen Viechern, die ungeduldig in Gabriels Eiern herumwimmeln.«
    Christof zündet sich eine Zigarette an. Für gewöhnlich raucht er nicht, aber es dient ihm dazu, Atmosphäre zu schaffen und die Worte zu verzögern. Er nimmt einen Zug und bläst den Rauch Cristoffini ins Gesicht, der die Augen zukneift, einen Hustenanfall erleidet und sich fast das Rückgrat bricht.
    »Jene, die das Leben auf der Straße verbringen, in einem Lastwagen weit weg von zu Hause, wollen auch mal für sich sein. Ich nenne das Zuflucht, und es ist vor allem eine mentale Zuflucht, auch wenn sie es oft als körperliches Bedürfnis tarnen. Tag und Nacht in der Kabine eingeschlossen, kreuz und quer über die Landkarte unterwegs, haben sie einander irgendwann gründlich satt und sehnen sich nach einer kleinen Auszeit.«
    »Genau wie wir zwei«, unterbricht Cristoffini. »Zum Beispiel an den Tagen, da du mich in meiner Pappschachtel ablegst (er hält mich nämlich in einer erbärmlichen Pappschachtel, Christofs!) und ohne mich auf Reisen gehst.«
    »Wenn ich mich nicht täusche, habe ich dich letztes Mal, als wir Christofs uns in Barcelona trafen, sehr wohl mitgenommen.«
    »O ja, im Koffer, in Gesellschaft deiner Unterhosen. Dabei weißt du genau, dass ich mit den Jahren klaustrophobisch geworden bin! Und dann schämtest du dich meiner, was unter Brüdern das Hässlichste überhaupt ist, und hast mich nicht aus dem Hotel gelassen …«
    »Schluss jetzt, es geht hier wirklich nicht um dich, du personifizierte Eitelkeit. Wir waren, mit deiner Erlaubnis, gerade bei Gabriel, Bundó und Petroli.« – Cristoffini will etwas erwidern, aber Christof lässt es nicht zu. – »Wie gesagt, nach einem halben Jahr gemeinsam auf Reisen hatten die drei schon gelernt, jede der raren, kostbaren Gelegenheiten, zu denen man mal allein sein konnte, zu nutzen. Das Repertoire umfasste Pannen des Lkws (echte und erfundene), die Pausen nach dem Ausladen oder so gütige Zwischenfälle wie einen wegen einer internationalen Fahndung gesperrten Grenzübergang, eine Umleitung wegen Bauarbeiten, das Sonntagsfahrverbot in manchen Ländern oder ein zu heftiges Gewitter. Wie wir gerade wieder gesehen haben, flüchtete sich Bundó zu solchen Anlässen in die Arme der nächstbesten Hure. Was die Zuflucht unseres Vaters war, bleibt dagegen ein Rätsel. Schwierig und rastlos zugleich, unstet und unfassbar über so viele Jahre hinweg – möglicherweise sind die Blätter, die wir hier vollschreiben, seine einzige handfeste Präsenz (so wie Fußspuren im Schnee den Unsichtbaren verraten), und wenn wir irgendwann unsern Schlusspunkt setzen, heißt das, wir haben seiner Zuflucht eine Gestalt gegeben. Versteht ihr mich? Was Petroli

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