Die italienischen Momente im Leben
Mit dem Wirt haben wir vereinbart, nach der Vorstellung noch einmal aufeinen Teller Emmersuppe vorbeizukommen. Wer weiß, vielleicht schaffen wir es ja mit der Aussicht auf leckere Genüsse, auch unseren »Commendatore«, den altgedienten Star unseres Ensembles, mitzunehmen.
Gesagt, getan, wir konnten den Commendatore überzeugen, mit uns zusammen im Weinkeller des Andalusiers zu Abend zu essen. Als Erstes erwartet uns ein Reigen köstlicher Antipasti: würzige sott’oli , in Öl eingelegtes Gemüse, ein wunderbarer Bauchspeck, wieder diese vorzügliche Wurst und ein sehr, sehr großer flacher Teller (also etwa von der Größe eines Platztellers, nur damit wir uns recht verstehen), auf dem nach Auskunft des Wirts zwei »halbe« Scheiben Schinken liegen, dabei bedecken sie ihn vollständig. Verwundert frage ich unseren Gastgeber: »Könnten Sie mir vielleicht zeigen, wie groß der ganze Schinken ist?« Während er ihn holen geht, widme ich mich den riesengroßen Scheiben auf dem Teller vor mir. Jede ist mindestens sechzehn Zentimeter hoch, davon sechs bis sieben aromatisches schieres Fett, das förmlich auf der Zunge zergeht. Auch der Rest ist zart und schmeckt dabei doch kräftig, man merkt, der Schinken ist lange gereift. Mmmmh … was für eine Köstlichkeit, dieser berühmte Schinken von Carpegna! Da kommt auch schon der fröhliche Wirt mit einem Wägelchen zurück, neben einem ganzen Schinken, der aussieht, als stamme er von einem Mammut, liegt ein Bund Zwiebeln:
»Die Zwiebeln müsst ihr unbedingt dazu essen … das ist die perfekte unión !« Und das waren erst die Antipasti! Wie jeder weiß, wird in Italien eine Mahlzeit wie eine Messe zelebriert: vor der Predigt kommt ja auch erst eine endlose Liturgie. Jetzt bringt er endlich die dampfende Emmersuppe herein. Emmer oder auch Zweikorn gehört zu den ältesten Getreidearten Europas und wird heute nur noch in der Toskana angebaut. Es schmeckt ein bisschen wie Puffreis, nur wesentlich würziger. Danach gibt es noch Rinderschmorbraten mit Karotten in Selleriesoße.
»Jetzt muss aber ein anderer tinto her!«
Also gehen wir zu einem Valdinevola 1992 über, der zwar etwas zu kühl serviert wird, aber wie sagt der Hausherr, er ist » espeso y redondo !«, und er schmeckt auch wirklich so üppig und abgerundet. Und als Abschluss eine Feigencrostata.
Da taut sogar unser Commendatore auf und beginnt, eine Reihe von Anekdoten aus seiner langen Theaterkarriere zu erzählen. Alle hängen wir wie gebannt an seinen Lippen. Sogar der Andalusier schweigt und hört ihm neugierig geworden zu. Zwischen dem einen oder anderen Gläschen Wein und einigen Stückchen Feigentorte erstehen vor unseren Augen und Ohren Dutzende von Persönlichkeiten: Schauspieler, Diven, Souffleure, Impresarios, Verwaltungschefs und Kritiker.
Auch er nennt keine Namen, außer den von Giorgio Strehler, neben Luchino Visconti wohl einer der größten Regisseure des letzten Jahrhunderts. Bei den Proben zu einem Stück hielt Strehler wohl sehr wenig von den Fähigkeiten einer seiner Darstellerinnen, nannte sie eine Schlampe und behandelte sie dementsprechend.
Als die Ärmste dann bei der Premiere zur Überraschung aller aufs Höchste gefeiert wurde und man Strehler auf den unerwarteten künstlerischen Erfolg seines Opfers aufmerksam machte, meinte der grimmig: »Das hat die Schlampe doch mit Absicht gemacht!«
»Aber andere Namen nenne ich nicht!«, sagt der Commendatore.
» La próxima vez! «, lautet der abschließende Kommentar unseres Wirts, und er erhebt sein Glas.
5.
RIMINI – »AMARCORD«
1978–2001
Also, Jungs, das Abi haben wir schon mal geschafft – wohin wollen wir jetzt in die Ferien?
»Nach Ibiza … da ist Spaß garantiert, immer was los, prima Strände, Discos und hübsche Mädels.«
»Nein, lieber eine griechische Insel, Übernachten kostet dort viel weniger, und man findet genauso viele Weiber zum Abschleppen.«
»Also wenn’s ums Abschleppen geht, ist die Versilia besser.«
»Die ist zu teuer …«
»Mykonos! Hey, sind wir die ›vier coolen Aufreißer‹, oder nicht? Mykonos ist ein Paradies, die reinste Party-Insel, echt irre, voll der Hammer!«
»Stimmt, Donatello, mein Bruder war letzten Sommer da. Er sagt, da gibt es eine Stranddisco von so einem völlig Durchgeknallten aus Neapel, einem gewissen Fefè. Wenn du um vier Uhr am Nachmittag aufstehst und zu ihm gehst, kriegst du einen Cappuccino und ein Croissant an deine Liege serviert und dazu eine heiße
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