Die italienischen Momente im Leben
Sätze Englisch, Französisch, Deutsch und Schwedisch: der klassische Papagallo.
»Komm, Bruno, mach dich ran: erster Annäherungsversuch auf Deutsch, dann gehst du zu Englisch über, mit der Entschuldigung, dass du ihre Sprache nicht gut sprichst.«
»Aber mein Englisch …«
»Zum Teufel mit deinem Englisch. Wenn die da Deutsch sprechen wollte, würde sie in Deutschland bleiben. Kopf hoch, Bauch rein und Brust raus … Ein bisschen Hanteltraining könnte dir auch nicht schaden … Los, mach ein breites Kreuz und sack nicht in dich zusammen, lächele sie an, der Rest kommt von allein.«
Ich stolzierte auf der Spitze der Mole auf und ab wie der letzte Idiot. Karin lag auf einem himmelblauen Handtuch mit der Aufschrift » Io amo l’Italia «. Einen Moment lang beugte ich mich über das Geländer, unten am Strand lagen zwei nicht übel aussehende Blondinen, die sich mit Tiroler Nussöl die Schenkel einrieben. Zwei Jungs in meinem Alter glotzten sie so penetrant an, dass ihnen fast die Augen aus dem Kopf fielen. Das Ergebnis: Die beiden Grazien wurden doch tatsächlich weich. Also gut, jetzt fehlte nur noch ich: Ich drehte mich um. Karin lag immer noch dort auf dem Rücken, die Ellbogen aufgestützt und den Kopf leicht erhoben. Sie schob die Sonnenbrille auf ihre Nasenspitze und lächelte mich an.
Das ist eine Einladung, dachte ich. Los, Bruno! Mit kerzengeradem Rücken und eingezogenem Bauch näherte ich mich meiner Beute und wiederholte noch einmal die paar auswendig gelernten, unfehlbaren Fragen: » Wie heißt du? Woher kommst du? «
Von den Antworten verstand ich nur zwei Worte: Karin und etwas wie Solingen. Ich wollte schon zum Englischen überwechseln, als sie plötzlich Italienisch mit mir redete. Mit dem harten Akzent der Teutonen, aber immerhin Italienisch: »Und tu, woher kommst tu?«
»Bravo, du sprichst ja Italienisch. Ich komme aus Rom …«, log ich unverschämterweise, weil ich hoffte, sie so mehr zu beeindrucken.
» Roma … bellissima! Ich war schon mal dort und liebe es, ich würde so gern wieder hinfahren. Mein Vater kommt aus Salerno, vor zwanzig Jahren ist er wegen der Arbeit nach Solingen gegangen, das liegt in der Nähe von Düsseldorf, und dort hat er meine Mutter kennengelernt. Wenn mein Vater mir italienische Schlager vorspielt, träume ich immer mit offenen Augen … mein Lieblingslied ist der Song von Al Bano und Romina … Mein Gott, wie heißt es noch .. Felicità ?«
»Na ja, das ist nicht ganz neu … Der Schlager wird zwei Jahre alt sein.«
»Felicità, è tenersi per mano e cantare lontano la felicità, il tuo sguardo innocente in mezzo la gente la felicità, e restare vicini come bambini la felicità, felicità …«
»Du bist toll … du weißt ja den ganzen Text auswendig! Und wie gut du singst! Aber du hast recht, Rom ist schön, ganz Italien ist schön … ich wohne zwar nicht direkt in Rom, aber in der Nähe, in den Abruzzen … aber wo du lebst, ist es bestimmt auch schön …«
»In Solingen?«
»Ja, in So…«
»Mir geht’s dort gut, und das Essen ist nicht schlecht. Aber gegen Italien und die Italiener … Hör mal, spendierst du mir ein Eis?«
»Na klar, wir können zu den anderen in die Bar gehen, wenn du möchtest …«
»Nein, gehen wir lieber zum Strandbad 56. Dort gibt es eine Jukebox!«
Diesmal musste es klappen.
»Irgendwann möchte ich auch gern mal nach Deutschland, ich war noch nie da.«
»Ja, mach das, ganz in der Nähe von uns gibt es ein wunderschönes Tal mit einem prähistorischen Museum über den Neandertaler.«
»Wirklich, und wie ist der so?«
»Der Neandertaler? Na ja, du siehst besser aus … Aber du hast mir noch gar nicht gesagt, wie du heißt.«
»Bruno … Braun !«
»Hahaha … und was für eine Platte legst du mir jetzt auf, Braun ?«
Welche Erinnerungen verbinden Sie mit den 45er-Singles? Hat jemand von Ihnen schon einmal darüber nachgedacht, wie viele er in seinem Leben abgespielt hat?
Also, in dem Sommer mit Karin waren es bei mir mindestens hundert. Dazu alle in den vorhergehenden Sommerferien … also summa summarum vielleicht mehr als tausend. Wie oft sind mit diesen Platten Liebesgeschichten verbunden, und wieviele haben Sie den Freunden erzählt, wenn Sie aus dem Urlaub zurückkamen?
Karin liebte die Jukebox vom Bad 56, unserem Treffpunkt. In den drei Wochen, die wir dort Urlaub machten, wurden die Platten nie ausgewechselt, die Etiketten, von Hand mit Kugelschreiber beschriftet, waren immer die gleichen. An
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