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Die italienischen Momente im Leben

Die italienischen Momente im Leben

Titel: Die italienischen Momente im Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Maccallini
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gerade wortreich mit dem Eingeseiften, aber so laut, dass alle das Gespräch mitbekommen. Anscheinend findet er keine Lehrlinge mehr, die er gerne hätte, um selbst nicht mehr so viel arbeiten zu müssen, während jedes Jahr die Preise steigen, und zwardeutlich mehr als die Inflationsrate. Tatsächlich gibt es einfach zu viele Barbiere in der Stadt, und die neuen weiten jetzt ihr Dienstleistungsangebot in Richtung Schönheitssalon aus.
    »Solarien, von denen du Krebs bekommst, kleine Schlampen als Kosmetikerinnen, Thai-Massagen, Behandlungen aus dem Chemiebaukasten und alles, was schlank macht – den Body formt – transformiert – da blickt doch keiner mehr durch!«
    Er selbst bezeichnet sich als Puristen. Im Nebenraum wäre schon Platz für eine Sonnenbank, aber er stellt dort lieber seinen Motorroller unter.
    Der Eingeseifte, ein kleiner, schmächtiger Kerl mit kurzen Haaren (der gleiche Schnitt im Übrigen, den alle hier drinnen tragen, weil Sergio das so mag), und der mit seinen etwa fünfunddreißig Jahren schon recht verlebt aussieht, ist nicht seiner Meinung.
    »Es muss ja nicht gleich eine Sonnenbank sein, aber so ein Gesichtssolarium …«
    »Ich bin bestimmt nicht knauserig, aber mein Geld gebe ich doch nicht für so einen Scheiß aus … Mein Gott, ich habe anderes zu tun!«
    Inzwischen lehnt sein Gehilfe fürs Grobe phlegmatisch an der Theke, reckt seinen dicken Bauch vor, bohrt in der Nase, und seine Gedanken sind meilenweit weg.
    »O Heilige Jungfrau Maria, was popelst du denn da herum? Los, jetzt wasch dem jungen Herrn da gefälligst die Haare!«, schreit er und deutet auf mich.
    Hätte er mal nichts gesagt, die Finger waren in der Nase bestimmt besser aufgehoben als auf meinem Kopf. Der Gehilfe malträtiert meine Kopfhaut zuerst mit zu heißem, dann zu kaltem Wasser, ganz wie es dem Boiler beliebt. Als er endlich fertig ist, sagt er, ich solle mich aufsetzen, damit er sie abtrocknen kann, dabei läuft mir das Wasser am Hals entlang und den Rücken hinunter, und mein Hemd wird ganz nass. Eine einzige Katastrophe.
    »Heilige Scheiße! Sie müssen entschuldigen, der Junge ist noch in der Lehre!«
    Während er dann wieder fortfährt, sich mit seinem Kunden über Solarien zu unterhalten, kommt ein Mann mit strahlendem Zahnpastalächeln herein, in der Hand hat er eines von diesen soeben auf den Markt gekommenen tragbaren Telefonen. Alle starren ihn bewundernd an. Das Teil mag ja ein Pfund schwer sein, aber es funktioniert wirklich ohne Kabel.
    »Stark, was? Das nennt sich Mobiltelefon, und das ist hier die Tastatur. Kostet schlappe zwei Millionen, und damit kann man sogar ins Ausland telefonieren!«
    Es folgen mehrere Sekunden erstarrtes Schweigen. Schließlich legt der Typ sein Telefon auf die Bank und meint mit nonchalanter Unverschämtheit: »Schon klar, ihr lebt lieber hinter dem Mond … O Mann, Sergio, hast du wenigstens einen Playboy da, damit ich mir beim Warten die Zeit vertreiben kann?«

10.
    ISCHIA
    1968
    Ich werde so acht oder neun Jahre alt gewesen sein. Wir verbrachten die Sommerferien auf Ischia auf einem alten Bauernhof bei Freunden im hügeligen Hinterland von Forio. Die Insel Ischia war schon immer ein beliebtes Ferienziel. Früher kamen Adlige und Berühmtheiten, Künstler und Intellektuelle aus ganz Europa hierher. Sehr oft waren sie Gäste in Privatvillen oder fanden Unterkunft in den typischen Bauernhöfen, die sich ihren ländlichen Charme und vor allem Ruhe bewahrt hatten. Eingebettet in großartige Blumengärten und mit phantastischen Ausblicken auf das Meer lagen diese Landhäuser über die ganze Insel verstreut. Einige von ihnen haben die Zeit überdauert, und die Villa Maria , heute ein Hotel, ist eine davon.
    Am frühen Morgen ging meine Mutter mit mir ans Meer. Wir brachen gegen neun gleich nach dem Frühstück auf: wir, Signora Maria und ihr Sohn Federico. In Forio gibt es drei Strände: den von Citara mit dem berühmten Thermalbad I Giardini di Poseidon (Die Gärten des Poseidon), die Bucht von Sorgeto, wo sich eine heiße Quelle direkt ins Meer ergießt, und den einzigen frei zugänglichen Strand von Cava dell’Isola. Wir gingen fast immer an den von Cava, weil er für Kinder am besten geeignet war. Meine Mama füllte ihre Leinentasche mit frisch aus dem Garten gepflückten Tomaten, ein paar Gurken, einem halben Laib selbst gebackenem Brot, und dann ging es los.
    Wir fuhren mit dem Bus vom Zentrum von Forio bis zum Strand, und dann stiegen wir die Stufen hinab, einen

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