Die italienischen Momente im Leben
los.
»Sie ist mir wieder entwischt … warum nur?«
Am nächsten Tag waren wir erneut unterwegs. Wie immer ließ sein Vater ihn gewähren, um ihm einen Gefallen zu tun. Federico wollte, dass ich mich neben ihn in den Bug setzte, um dem sanften Klatschen der Wellen zu lauschen.
»Hör doch … hörst du das? Kannst du das wirklich nicht hören?«
Federico versuchte, meinen Kopf so zu drehen, damit auch ich die Melodie wahrnehmen konnte, er starrte mit verlorenem Blick auf das glitzernde Meer, wo das Licht sich brach: »Denn auf eine Welle folgt immer die nächste und erneuert die Hoffnung.«
Endlich, endlich erschien sie ihm erneut. Begeistert schilderte er mir, sie sei genau vor ihm gewesen, nur von langen grünen Haaren bedeckt, dass sie wunderschön sei und mit unwiderstehlicher Stimme mit ihm spreche, ganz wie der Gesang der Sirenen aus den Schulbüchern.
»Komm mit mir.« Plötzlich zog er mich an einem Arm ins Wasser. Aber ich hatte keine Angst, ich konnte schon schwimmen und war glücklich, an seiner Vision teilhaben zu dürfen.
Heute ist Federico nicht nur einer der besten Alleinsegler Italiens, sondern hat Tausenden Menschen diesen Sport nahegebracht, die dank seiner Touren auf den Ozeanen der Welt ihre Leidenschaft fürs Segeln entdeckten.
Leider glitt ich damals nicht in die weichen Arme einer Sirene, doch an diesem Tag lernte ich so zu träumen wie er.
11.
AMALFI | RAVELLO
2003
Einer der menschlichsten, aber auch verwirrendsten Aspekte an einer Vespa ist ihre Fähigkeit, sich mit den Belangen und dem Gemütszustand ihres Besitzers in absolute Übereinstimmung zu versetzen und mit ihm zu verschmelzen. Sie rast, wenn du morgens eilig das Haus verlässt und unbedingt noch einen Zug erwischen musst, der natürlich nicht auf dich warten wird, ohne zu zögern zwischen den im Stau stehenden Autos hindurch. Wenn du es eilig hast, weil du dringend noch vor Büroschluss einen Beamten erreichen musst, wirft sie sich mit röhrendem Motor allen Hindernissen entgegen und schafft es immer, sich ihren Weg zu bahnen. Und wenn du mit einem Freund reden willst, ist sie für dich da, sie reibt dir nie unter die Nase, wie viel Geld du für Benzin ausgibst, und sie wartet nur darauf, dir zu folgen und dich bei schlechter Laune wieder aufzumuntern. Das Schöne an einer Vespa ist ihre Wendigkeit, sie ist mehr als nur ein Mittel, dich von Verkehrs- und Parkplatzproblemen unabhängig zu machen; wenn du dich mal kurz entspannst und die Hand am Gasgriff lockerst, gluckst sie heiter mit ihrem unregelmäßigen Zweitakter und lächelt dir mit ihrem gerundeten Mini-Armaturenbrett zu. Dazu der Integralhelm. Er schenkt dir Privatsphäre, denn hinter deinem Visier kann es dir völlig egal sein, ob du, in Gedanken versunken, lächeln musst, eine Träne vergießt oder Selbstgespräche führst. Du kannst tun und lassen,was du willst, deine treue Freundin bringt dich überallhin. Im Auto kommt nur in überhöhten Kurven wirklicher Fahrspaß auf, mit der Vespa kannst du dagegen immer sanft nach links oder rechts schaukeln … du musst dich nur ein wenig zur Seite neigen, und schon versinkst du, eingelullt von der sanften Bewegung, in deine Gedanken.
Ich glaube, dass ich Jutta Speidel für mich einnehmen konnte, als ich ihr von meiner Leidenschaft für die Vespa erzählt und ihr ähnlich begeistert wie eben von diesem fahrbaren Untersatz vorgeschwärmt habe.
Während der Dreharbeiten zu einem Film, der uns, wie sich später erwies, zusammenbrachte, bekam ich immer mehr Lust, eine Vespa zu mieten und mit ihr die Amalfiküste rauf- und runterzudüsen.
Es war ein Sonntag, und der frische Duft nach Zitronen weckte in uns die Aufbruchstimmung. Einfach mal abschalten und dem Alltag, dem Set, den Verpflichtungen dort und dem Textlernen den Rücken kehren. Ich hatte mich mit der Schauspielerkollegin aus Deutschland in der Hotelhalle verabredet, und wir gingen auf der Piazzetta T-Shirts und Hosen zum Aufkrempeln kaufen, bevor wir den heiß ersehnten Motorroller abholten.
Allen, die noch nie in Amalfi waren, kann ich nur sagen, dass diese Stadt einen tief beeindruckt. Ein traumhafter Ort, der einem unwirklich vorkommt, solange man ihn nicht gesehen hat, den man aber stets tief in seiner Seele vermissen wird, kaum hat man ihn verlassen.
Seit jeher war die Amalfiküste das Ziel der Reisenden aus dem In- und Ausland, wenn sie die landschaftlichen Schönheiten und Kunstwerke unseres Landes erkundeten: berühmte Dichter, Könige und
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