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Die italienischen Momente im Leben

Die italienischen Momente im Leben

Titel: Die italienischen Momente im Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Maccallini
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Schauspieler. Sie können sich bestimmt vorstellen, dass seine Aussprache der amerikanischen Namen teilweise ziemlich abenteuerlich klang.
    Im Dunkel des Freiluftkinos probierten Federico und ich im Mondschein auch unsere ersten Zigaretten. Ich erinnere mich, dass man für fünfzig Lire drei filterlose Zigaretten aus heimischer Produktion bekam, zwei Nazionali und eine Alfa . Damals wurden Zigaretten noch lose verkauft. Eigentlich schmeckten sie mir gar nicht, und ich rauchte bloß, um anzugeben. Es sollten tatsächlich die einzigen Zigaretten meines Lebens bleiben.
    In dem Jahr hatte ich für die Versetzung ein tolles Fahrrad geschenkt bekommen: ein goldgelbes Legnano mit vier Gängen und einem schmalen geraden Lenker. Wunderschön! Um die Gangschaltung hatte ich – wie damals üblich – ein schwarz-weißes Band für Juventus Turin gewickelt, meinen Lieblingsverein. Ich hatte das Fahrrad mit in den Urlaub genommen, und das war eine ausgezeichnete Idee. Was habe ich nicht mit Federico für tolle Touren entlang der Küste unternommen – und wie oft bin ich dabei hingeknallt! Es machte uns einen Riesenspaß, das Wäldchen der Maddalena zu erkunden oder am Strand von San Montano entlangzuradeln.
    Wenn wir über Citara fuhren, machten wir immer halt im Thermalbad Gärten des Poseidon , wo wir uns nackt in die Becken stürzten. Da sie unterschiedliche Temperaturen haben, sollte man sich schon das richtige aussuchen. Einmal hätten wir unsbei fünfzig Grad beinahe verbrüht! Diese romantisch gelegene Anlage im Südwesten der Insel war fast immer gut besucht, aber niemand tadelte uns wegen unserer Nacktheit. Als ich die Anlage zum ersten Mal vom Hügel aus erblickte, konnte ich mir nicht vorstellen, dass mitten am örtlichen Strand so ein Paradies liegen könnte. Von oben gesehen wirkte alles so klein und unbedeutend. Signora Maria erklärte mir, dass dieser wunderbare Ort das Werk eines großartigen Architekten war. Je mehr Zeit wir dort verbrachten, desto stärker zog uns dieses Thermalbad in den Bann und ließ uns nicht mehr los. In den Gärten des Poseidon gab es aber auch alles, was ein Kinderherz höherschlagen ließ: Palmen, Kakteen, Bambus, Oleander, Wege und Pfade zum Rennen und Klettern, kleine Bäche, große Pfützen und Schwimmbecken zum Hineinspringen. Nichts, was störte, alles strahlte vollkommene Harmonie aus. Über uns der Himmel, um uns das Meer und die gesunde Luft, unsere Müdigkeit nach den langen Radtouren verflog sofort. Manchmal überraschte uns der Wind mit seinen jäh auffrischenden Böen und Regen, Blitz und Donner. Auch diese Eindrücke werden mir immer in Erinnerung bleiben.
    Es war die Zeit der Weinlese. Signora Maria und ihr Mann hatten die Ernte schon verkauft, und bei der Lese mussten die Traubenschütten nun gewogen werden. Dafür brauchte man erfahrene Leute oder zumindest jemanden, der rechnen konnte. Und weil wir uns wegen Herkules und Konsorten Muskeln antrainiert hatten, wurden Federico und ich als »Hilfswieger« ausgewählt. Mir gefiel diese Aufgabe, und ich schlug mich ziemlich gut.
    Federico war ein Träumer. Das Meer und die Luft waren seine Elemente. Luft ganz einfach deswegen, weil er immer mit dem Kopf in den Wolken schwebte. Doch seine wahre Bestimmung war das Wasser. Und im Meer suchte und suchte er, ständig undimmer wieder. Wenn sein Vater mit uns hinaussegelte, sonderte er sich ab, um in seiner Phantasiewelt zu versinken. Doch ich glaube, dass er keineswegs vor der Wirklichkeit in seine Träume floh, sondern nach etwas forschte, dass er in der Stille von Wind und Wellen etwas herauszuhören vermochte, was uns anderen verborgen blieb.
    Wie den Ruf der Sirene!
    An jenem Tag stürzte er sich ins Wasser, und als er nach einer Weile wieder hervorkam, strahlte er über das ganze Gesicht: »Papa! Papa! Ich habe sie wieder gesehen! Ich schwöre es dir, ich habe sie wieder gesehen, sie war ganz weiß, und ihr Körper war halb Mensch, halb Fisch, sie hatte Schwimmhäute zwischen den Fingern und grüne Haare. Sie schwebte in einem Meter Tiefe, ich habe sie ganz genau gesehen, weil sie ganz nah bei mir war, und mit einem Mal ist sie verschwunden. Glaub mir bitte, Papa!«
    Auch ich glaubte ihm zunächst nicht, aber als er sie mir dann zu Hause in allen Einzelheiten beschrieb, klang er gar nicht wie ein kleiner Junge. Er erzählte mir, vor einem Monat wäre er ihr schon einmal begegnet und hätte sogar mit ihr gesprochen, bevor sie verschwand. Diese Begegnung ließ ihn nicht mehr

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