Die italienischen Momente im Leben
Klippe nichts als das ruhige Wasser, der frische Hauch des Windes und der Salzgeruch des Meeres, Musik zum Tanzen, zum Vergessen und vielleicht jemanden zu betrügen.«
O bellillo war jung und stark, seine verführerischen Blicke verzauberten jede Frau. Ein kurzer sinnlicher Augenaufschlag von ihm genügte, und alle gaben sich ihm hin, selbst wenn sie den besten Ehemann auf Erden hatten. Es heißt, eine berühmte Hollywoodschauspielerin habe einmal in Atrani Zuflucht gesucht. Eines Tages fuhr sie in ihrem weißen Käfer Cabriolet vor, darin ihr älterer Ehemann und ein Koffer voller Kleider.
»Wenn sie die kleine Treppe hinunterlief, wiegte sie ihren Körper wie eine Blume im Wind, und sie sog den Duft des Meeres ein.«
Eines Abends warf Giuseppe den alten Dieselmotor seines Bootes an und nahm sie mit zum vor Positano liegenden Inselarchipel Li Galli, um »Sterne zu fischen«. Als sie zurückkamen, wurde es schon hell, die Möwen zogen ihre Kreise am Himmel, und der wesentlich ältere Gatte stand wartend vor der Tür des inzwischen geschlossenen Nachtklubs.
»Da ist dieser rosarote Himmel, der ganz langsam in Türkis und dann zu Blau übergeht. Das ist der Himmel von Atrani, der alle beschützt, auch Ehebruch und heimliche Liebschaften.«
Mit einem perfekten Lächeln auf den Lippen betrat die Schauspielerin ganz ruhig die Mole. In aller Seelenruhe ordnete sie sodann ihre roten Locken, und als sie vor ihrem Ehemann stand, sagte sie nur: » Let’s go home, honey .«
»So ist die Küste, sie entflammt die Herzen und schenkt Stille.«
Nun begreife ich, was Giuseppe meinte, als er uns davon erzählte, sein Boot hätte »das Leuchten der Bootslampen und die stürmischen Wogen der Liebe kennengelernt«. Ein rosa schimmernder Horizont, das Geräusch eines Bugs, der die Wellen durchteilt, eine rauschende Heckwelle, die ein alter brummender Dieselmotor nach sich zieht. Das ist Giuseppe, genannt o bellillo : ein Traumfischer.
Wir verlassen die drei und gehen zu unserer Vespa zurück. Verflucht, sie springt nicht an. Ich versuche sie mit dem Kickstarter zu starten. Nichts passiert. Bleibt also nur anschieben: Ich lege den zweiten Gang ein, renne mit gezogener Kupplung ein wenig bergab, und als ich sie kommen lasse, springt die Vespa endlich tuckernd an. Ich schwinge mich auf den Sitz und gebe Gas. Meine deutsche Kollegin ist inzwischen etwas ungeduldig geworden, aber ich weiß, wie ich ihre gute Laune wieder hervorzaubern kann:
»Keine Sorge, mich hat noch nie eine Vespa im Stich gelassen.«
BRUMM , BRUMM , na, wer sagt’s denn, und es geht weiter! Jetzt wollen wir ganz nach oben nach Ravello. Das Tal des Dragone über den benachbarten Orten Maiori, und Minori ist die schönste Aussichtsterrasse der ganzen Küste. Zahlreiche berühmte Persönlichkeiten haben hier übernachtet, vom Präsidenten John F. Kennedy bis Winston Churchill. Greta Garbo, die hier 1936 ihre Liebesaffäre mit dem Dirigenten Stokowski hatte, bezeichnete es »als den schönsten Ort, den ich in meinem ganzen Leben gesehen habe«. Mit Ravello verbunden sind auch Richard Wagner und sein Parsifal . Eines Morgens im Jahr 1880 wollte der Komponist unbedingt dort hinaufsteigen, der Ort schlug ihn in seinen Bann. Rechts von der Kathedrale San Pantaleone sah er die Villa Rufolo, und einem unwiderstehlichen Ruf folgend, ging er hinein. Als er die Aussichtsterrasse erreichte, sagte er leise: »Klingsors Zaubergarten ist gefunden!«
Welches Kunstwerk kann es mit diesem Anblick aufnehmen? Ähnlich intensive Gefühle ruft höchstens die Villa Cimbrone hervor, denn sie ist als Einzige der Villa Rufolo ebenbürtig, was atemberaubende Panoramen und natur- und menschengeschaffene Schätze betrifft. Von hier aus hat man einen der hinreißendsten Ausblicke von ganz Italien, die Augen schweifen über die gesamte Amalfiküste und an klaren Tagen wie heute bis zur Küste des Cilento.
» Wunderschön! «
Der Keim der Liebe zwischen Jutta und mir wurde an diesem Märzmorgen gelegt, während wir Richtung Terrazza dell’infinito schlenderten, wie der wunderbare Garten dieser Villa genannt wird, denn von hier aus meint man wirklich, die Unendlichkeit zu schauen.
Tief beeindruckt von diesem Erlebnis spürt Jutta auch heute noch eine starke innere Bindung zur Amalfiküste und ihren Bewohnern, insbesondere zu Ravello und der Villa Cimbrone. Wir Italiener haben’s eben drauf, das ist ja allgemein bekannt. Und wahrscheinlich haben die Rundfahrt auf der Vespa und meine ein
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