Die italienischen Momente im Leben
Königinnen, bekannte Persönlichkeiten von Boccaccio über Gregorovius, von Wagner zu Victor Hugo, von Ibsen zu Gide. Amalfi ist ein Ort, der sich vollkommen dem Meer öffnet, die ganze Stadt wirkt wie eine große, in gleißendes Sonnenlicht gehüllte Terrasse. Man glaubt ein impressionistisches, aus bunten Farbtupfern bestehendes Gemälde vor sich zu sehen, dazwischen Zitronenbäume, verstreute Olivenhaine und Gärten, die sich in kunstvoll angelegten Terrassen bis zum Meer erstrecken. Und wenn man von Amalfi den Blick nach oben wendet, entdeckt man hoch über dem Meer den zauberhaften Ort Ravello. Doch davon später.
Der Vermieter der Vespa heißt Esposito und ist ein für sein Alter verdammt gut aussehender Mann um die fünfzig. Seiner Kleidung nach ist er ein Fischer, aber er ist auch Archäologe, Philosoph und Gemeinderat. Bevor er uns das Fahrzeug übergibt, möchte er uns unbedingt noch einen Cappuccino in der Bar spendieren und uns seine Freunde vorstellen.
»Wir treffen uns jeden Morgen hier, wir sind wie eine große Familie.«
Als wir wieder zurück in seinem Laden sind, gibt uns Signor Esposito einige Tipps:
»Das ist eine alte Vespa 50 Kubik. Beim Starten immer leicht Gas geben. Wenn Sie irgendwo für länger anhalten, lassen Sie sie vor der Weiterfahrt fünf Minuten warmlaufen. Und immer nur mit Helm fahren!«
Jutta setzt sich ein bisschen schüchtern und ängstlich rittlings hinter mich. Aber ich merke, dass sie sich schon verliebt hat … in die Küste natürlich! BRUMM , BRUMM – es geht los. Bevor wir auf die Provinzstraße nach Ravello fahren, machen wir einen kurzen Zwischenstopp in Atrani. Mit seinen schmalen Gassen, Bogen, Höfen und Plätzen und den typischen »Treppchen« wirkt der kleine Ort so malerisch wie eine Miniatur-Weihnachtskrippe direkt am Meer. Wir gehen über den Platz Umberto I., wo wir am Vortag eine Szene gedreht haben. Der Markt ist sehr belebt, und der Duft nach frisch gebackenem Brot lädt zum Verweilen ein. Aber auch andere sinnliche Eindrücke, verlockender Thunfisch und Schwertfisch, Kirschtomatenzweige, Geranien- und Petunienarrangements auf den Balkonen,die typischen dickschaligen Amalfi-Zitronen in den Auslagen der Marktstände … was für eine unglaubliche Mischung! Am Ende des Platzes entdecke ich ein Ladenschild aus der guten alten Zeit – wie ich sie mag – mit der Aufschrift: Salone Carmine . Da man mir sagt, es sei ein guter Barbier, gehe ich auf eine Rasur nach Großväter Sitte zu ihm, während Jutta mit einem Bildhauer Freundschaft schließt, der seine Werkstatt ganz in der Nähe hat. Ich verlasse den Laden mit samtweicher Haut, nach klassischem Aftershave duftend. Wir gehen durch einen Bogen, und schon sind wir am kleinen Strand des Ortes. Wir freunden uns mit einem alten Fischer an, der Deutsch spricht. Auf dem gerundeten Heck seines Bootes sitzend, packt Giuseppe, auch » o bellillo« genannt, sofort seine Erinnerungen an seine Zeit als unwiderstehlicher Playboy in Deutschland aus, wohin er nach dem Zweiten Weltkrieg der Arbeit wegen auswandern musste. Das weiße Hemd so straff gezogen wie ein Segel, die tiefe Sonnenbräune, die Charakterfalten, das alte silberne Dupont-Feuerzeug, der Handkuss für Jutta und die bewundernden oder begehrenden Blicke der vorübergehenden Frauen lassen ihn trotz seines Alters immer noch attraktiv erscheinen. Wir setzen uns und hören ihm bei einer Karaffe Gran Caruso di Ravello zu, der kühl die Kehle hinunterläuft und seinen Redefluss anregt. Inzwischen haben sich auch Franceschiello, der Bildhauer, und Gennarino, der Mandolinen, Violas und Gitarren baut, zu uns gesellt. Auch sie »sind alle eine Familie«.
Als Stahlarbeiter in den Eisenwerken von Sulzbach träumte Giuseppe schon lange von der Rückkehr in sein kleines Atrani. Vor dem Krieg hatte sein Boot, so erzählt er, »das Leuchten der Bootslampen und die stürmischen Wogen der Liebe kennengelernt«. Schließlich wurde sein Traum wahr, und mit Unterstützung von Franceschiello eröffnete Giuseppe Ende der Fünfzigerjahre ein in die Felsen gehauenes Lokal. Hier verkehrten der internationale Jetset, Sänger und berühmte Schauspieler,jeder kannte es. Sogar Jacqueline Kennedy kam während ihres denkwürdigen Italienaufenthalts im August 1962 vorbei. Es waren die Jahre der »Dolce Vita«, eines langsam dahinfließenden Lebens, in dem die Tasten des Klaviers kaum mehr als gestreichelt und Lieder wie das folgende beinahe flüsternd gesungen wurden.
»Unter dieser
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