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Die italienischen Momente im Leben

Die italienischen Momente im Leben

Titel: Die italienischen Momente im Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Maccallini
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Imperatore hinter uns gelassen haben, steigen wir bis auf eine Höhe von 2240 Metern hinauf. Wir biegen nach links ab, und über einen beinahe ebenen Pfad auf halber Höhe erreichen wir den Sattel Passo del Lupo.
    Dort legen wir eine Pause ein, nicht nur um uns ein wenig auszuruhen, sondern vor allem, weil die »Großen« sich erst darüber einig werden müssen, welche Route wir zum legendären Passo del Cefalone nehmen sollen. Ich frage meinen Onkel, ob ich meine Trinkflasche an dem Wasserfall eines Baches wieder auffüllen darf. Er ist so vertieft in die lebhafte Diskussion, dass er sich nicht einmal nach mir umdreht. Da der Gebirgsbach ziemlich heftig brodelt, laufe ich vorsichtig am Wegrand entlang, der auch gleichzeitig das Ufer bildet. Wegen meiner Unerfahrenheit ist mir nicht klar, dass die reißende Strömung auch das darunterliegende Erdreich aufweichen kann. Plötzlich spüre ich, wie unter meinem rechten Fuß der Boden nachgibt, und schon bin ich im Wasser gelandet.
    Der Apotheker, der sich – möge Gott ihn dafür segnen – etwas von den anderen abgesondert hat, um in der unmittelbaren Nähe des Baches zu pinkeln, kann mich eben noch mit einer Hand – die andere ist beschäftigt – am Arm packen und ans Ufer zurückziehen. Glück gehabt! Das hört sich jetzt lustig an, wenn ich es so erzähle, aber in dem Augenblick war es ganz schön dramatisch.
    Wir wandern weiter. Zunächst etwas langsam und ungeschickt, dann immer schneller und gewandter wandern wir einen Kanal hoch, der zunächst noch breit und sonnendurchflutet ist, sich aber allmählich verengt und immer düsterer wird. Zum Zeitvertreib stellt uns Attilio, der redseligste der Runde, eines seiner Rätsel, von denen er unzählige auf Lager hat:
    »Drei Freunde beschließen, einen Ausflug in die Berge zu machen. Morgens um sieben brechen sie zu einer Berghütte auf, die sie um vier Uhr nachmittags erreichen. Da es zu spät ist, den Abstieg noch bei Tageslicht zu schaffen, übernachten sie dort und brechen am nächsten Morgen nach sieben wieder auf. Der Abstieg ist wesentlich angenehmer als der Aufstieg, daher kommen sie um zwölf an dem Punkt an, von dem sie am vergangenen Tag losgegangen sind. Gibt es auf ihrer Strecke einen Punkt, an dem die drei zur selben Uhrzeit vorübergekommen sind wie am Vortag?«
    Keiner weiß eine Antwort, beziehungsweise alle denken sich die unglaublichsten Lösungsmöglichkeiten aus.
    Genau in dem Augenblick kommt uns ein Mann in Begleitung von zwei Bergführern entgegen. Er begrüßt uns nicht nur mit Handschlag, sondern folgt auch gern der Aufforderung meines Onkels, eine kurze Rast bei uns einzulegen. Ich habe nicht den blassesten Schimmer, wer das sein könnte, wie sollte ich auch, in meinem Alter. Allerdings erinnere ich mich selbst heute noch an das starke Charisma, das von ihm ausging, während er auf uns zukam, ihn umgab eine Art Aura, die jeder in seiner Nähe wahrnahm. Ich war gefesselt von dieser außergewöhnlichen Erscheinung, dem sympathischen Lächeln, und sosehr ich mich auch heute darüber wundere – oder lustig mache –, diese flüchtige Begegnung hat mich doch sehr stark beeindruckt. Obwohl ich aus den Stimmen der Erwachsenen eine Mischung aus Ehrerbietung und Stolz heraushörte, konnte ich mir damals nicht vorstellen, wer der Mann in dem karierten Holzfällerhemd war.
    Neugierig nähere ich mich den Männern.
    »Diese Berge üben auf mich immer eine besondere Faszination aus. Sie erinnern mich so sehr an unsere Tatra ...«
    »Willkommen auf dem Gran Sasso, Eminenz ... Sie müssen unbedingt im Winter zum Skifahren kommen, es ist vielleicht nicht so wie in Polen, aber ...«
    Onkel Francos Einladung fiel auf fruchtbaren Boden. Die Abruzzer Alpen sagten dem späteren Papst, dem reisefreudigen »Eiligen Vater« zu. Und so fuhr Johannes Paul II. auch später nicht ins Aostatal oder nach Cadore in die Dolomiten, wenn er Skilaufen wollte, sondern kam hierher.
    »Wenn meine Amtsgeschäfte im Vatikan es zulassen, gern.«
    »Dann erwarten wir Sie also ...«, sagt mein Onkel und verabschiedet sich vom Kardinal von Krakau Karol Józef Wojtyla. Gianluca kann es sich einfach nicht verkneifen, eine seiner geistreichen Bemerkungen von sich zu geben:
    »Eminenz, Sie werden hinunterbrettern wie ein junger Hüpfer!«
    Wegen dieser respektlosen Bemerkung wären wir anderen am liebsten alle vor Scham unter einer dicken Schneedecke versunken, wenn denn eine da gewesen wäre.
    Wir küssen dem Kardinal noch rasch die Hand

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