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Die italienischen Momente im Leben

Die italienischen Momente im Leben

Titel: Die italienischen Momente im Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Maccallini
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ermutigen ihre Kinder noch. Was ist denn schon so schlimm daran, in einer Reality-Show mitzuwirken? Valentina wird vielleicht Geld damit machen, Erfolg und Ruhm haben, kann sein, dass sie sich auch mit einem Fußballprofi verlobt. Aber ganz bestimmt wird sie nie Bühnenbildnerin werden.
    In jedem von uns schlummert insgeheim der Wunsch, berühmt zu werden, aber vielleicht haben wir jetzt einen kritischen Punkt erreicht, da heute ungeniert jede Schamgrenze überschritten wird. Ein »wirklich italienisches« Phänomen, der Beweis für unsere Unsicherheit und die Angst, nicht so akzeptiert zu werden, wie man wirklich ist. Die Botschaft ist klar: Wenn du gut aussiehst, hast du die besten Chancen, dir deinen Traum vom Ruhm zu erfüllen, andernfalls hast du Pech gehabt.
    ~ ~ ~
    Meine Nichte hat recht: Es herrscht zu viel Dummheit in diesem Land. Wir verlassen Cinecittà und gehen zur U-Bahn. Francesca ist fest entschlossen, ihr Studium durchzuziehen. Und ich glaube, ihr Traum, eine begabte Bühnenbildnerin zu werden, wird sehr bald in Erfüllung gehen.

25.
    GRAN SASSO
    1973
    Der Pizzo Cefalone in den Abruzzen ist mit seinen 2533 Metern einer der bedeutendsten Gipfel in der Gebirgskette des Gran Sasso, nach einem angenehmen Aufstieg bietet er einen wunderbaren Ausblick auf die anderen Hauptgipfel des Massivs, den Corno Grande und den Corno Piccolo.
    Wir lassen das Auto auf dem Hochplateau Campo Imperatore stehen und beginnen unsere Tour entlang einem Bergrücken, auf dem die Schutzhütte Rifugio Duca degli Abruzzi liegt. Es ist Ende August, und so brauchen wir bei milden Wandertemperaturen keine besondere Ausrüstung, allerdings erschweren die vielen Geröllfelder das Vorankommen – zumindest einem dreizehnjährigen Jungen wie mir.
    In dem Jahr ist es bei mir in der Schule nicht so gut gelaufen, also ehrlich gesagt, ziemlich mies sogar, und deshalb habe ich im September eine Nachprüfung in Algebra und Geometrie, sollte ich die nicht bestehen, müsste ich die Klasse wiederholen. Da ziemlich viel Stoff in kürzester Zeit aufzuholen ist, hat meine Mutter beschlossen, mich zur Nachhilfe zu meinem Onkel Franco zu schicken.
    Mein Onkel ist ein außergewöhnlicher Mann und zudem ein begeisterter Bergsteiger. Samstags wurde seine Eisenwarenhandlung für ihn und seine engsten Freunde zum Wohnzimmer. Zwischen den Regalen mit den Werkzeugkästen, den Kompressoren, Werkbänken und Gartenschlauchrollen herrschte eine Art Zauber. Mir gefiel es dort, und meist kam ich schon einige Stunden früher zum Nachhilfeunterricht, dann sog ich den Geruch von lackiertem Blech ein, nahm prüfend die schweren Engländer in die Hand, drehte an den Ratschenschlüsseln, holte mir Bohrmaschinenaufsätze aus dem Aufsteller … und ließ mich sanft von den endlosen Gesprächen der Männer einlullen, welche Tour man am besten für den nächsten Tag planen sollte. Außerdem half ich Signor Antonino, dem Verkäufer im blauen Kittel, der unermüdlich auf einer Leiter stand und mir die Kästen mit den Vorhängeschlössern, den Haken und Glühbirnen herunterreichte.
    Wer in den Abruzzen lebt, hat eigentlich keine Wahl, ob er Bergsteigen mag oder nicht. Der Apennin mit den Nationalparks Gran Sasso und Majella ist allgegenwärtig, obwohl die Berggipfel sich oft hinter Wolken verbergen. Sie sind die Herausforderung schlechthin. Onkel Franco wurde nicht müde, mir seine Weisheiten zu wiederholen:
    »Der Berg formt dich. Er ist wie das Leben. Man muss etwas wagen, immer wieder von Neuem die möglichen Folgen des eigenen Handelns abschätzen und akzeptieren, was kommt, egal, was es ist. Doch es gibt immer Leute, die das nicht tun, das sind die Feigen und Gelangweilten und die Zauderer …«
    Und dann schloss er immer mit einem Zitat von Kipling: »Alles in allem gibt es nur zwei Arten von Menschen auf der Welt – solche, die zu Hause bleiben, und solche, die es nicht tun.«
    An jenem Sonntag machte ich meine erste richtige Bergtour. Ich glaube, ich habe seitdem keine Wanderung ins Gebirge unternommen, ohne dass mir Onkel Franco in den Sinn gekommen wäre.
    Er verkörperte alles, was einen Bewohner der Abruzzen auszeichnet: Er war ein hervorragender Skifahrer, ein erfahrener Pilzkenner und guter Jäger. Aber vor allem war er ein weiser Mann.
    Wir waren zu sechst unterwegs: Attilio, Ingegnere Gianluca, Ragioniere Fabrizi, der Apotheker, dessen Name ich vergessen habe, mein Onkel und ich. Bis auf mich lauter erfahrene Bergsteiger. Nachdem wir das Gasthaus von Campo

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