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Die italienischen Momente im Leben

Die italienischen Momente im Leben

Titel: Die italienischen Momente im Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Maccallini
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300 überwiegend junge Leute, und alle Mädchen haben sich von oben bis unten durchgestylt mit kräftigem Make-up, Minirock und hochhackigen Schuhen.
    Francesca glaubt, am Ende der Schlange eine Freundin aus dem Bühnenbildstudium erkannt zu haben, natürlich ebenfalls im Minirock und mit einem tief ausgeschnittenen T-Shirt. Aber wegen des ungewohnten, ziemlich ordinären Outfits ist sie sich nicht ganz sicher. Als das Mädchen ihren Namen hört, dreht sie sich ruckartig um. Es ist wirklich Valentina, aber so hat Francesca sie noch nie gesehen, sogar ihr Teint ist dunkler als gewöhnlich, anscheinend hat sie mit der Sonnenbank ordentlich nachgeholfen.
    Francesca wird richtiggehend blass, als sie ihre Freundin in diesem Aufzug sieht.
    »Jetzt schau mich doch nicht so an, Franci … schließlich bin ich schon neunzehn. Ich weiß, dass ich gut aussehe, und die richtigen Maße habe ich auch. Bevor ich mich hier für das Casting beworben habe, habe ich eine Diät gemacht, vier Tage lang nur Ananas und Minestrone. Ich hoffe so sehr, dass ich es schaffe. Ich bin superaufgeregt … Das ist wie Wodka trinken, obwohl ich jetzt kaum noch was trinken darf, sonst werde ich noch fett!«
    »Warum hast du denn das Studium aufgegeben?«
    »Ich bin Single, lebe allein und hab’ nie genug Geld, um die Miete zu bezahlen. Ich hab’ keine Lust, abends zu kellnern, ich möchte lieber was anderes versuchen. Ich mag mich nicht denganzen Tag abrackern, ich will eben ins Big-Brother-Haus … okay, vielleicht ist das ja eine fixe Idee, nenn es, wie du willst … aber das wollen doch inzwischen alle, sogar meine Schwester, und die ist schon dreißig, die guckt sich in jedem Schaufenster an und trägt Sonnenbrillen wie ein Filmstar. Und, entschuldige mal, was ist denn schon dabei?«
    Neben Valentina steht ein Mädchen, das älter ist als sie, in seiner Freizeit als Model arbeitet und uns erzählt, dass es zum Casting gekommen ist, weil es auf dem Laufsteg nicht genug verdient. »Ich will ins Big-Brother-Haus … ich will ins Sprechzimmer, berühmt werden, und wenn ich es schaffe, heirate ich mal einen Fußballstar …«
    Diese jungen Leute können einem leidtun. Sie haben (noch) nichts gelernt, können weder tanzen noch singen, aber jeder von ihnen ist fixiert auf seinen Traum von einem begrenzten, aber erreichbaren Ruhm, diesem »Wenn die Fernsehkamera auf dich gerichtet ist, dann fühlst du dich, als hättest du einen Zauberstab in der Hand, und alles ist möglich«. Und was wollen sie? Mehr Geld. Sich ein Auto kaufen. Sich selbstständig machen. Mit der Freundin oder dem Freund zusammenziehen. Reisen. Neue Leute kennenlernen. Oder eine Liebesenttäuschung vergessen. Irgendwo anfangen, obwohl niemand von ihnen genau weiß, wohin die Reise gehen soll. Oder warum sonst?
    »Um dabei zu sein«, erklärt uns Cinzia, auch sie eine von diesen genmanipulierten Teenagern Typ »Egal wie oder was, Hauptsache, ich komm’ groß raus« (wahrscheinlich war sie noch nicht einmal achtzehn Jahre alt), die sich mit Diäten und Fitnesstraining gequält hat und seelisch schon darauf vorbereitet ist, eine Reihe von »Danke, aber Sie sind nicht dabei« einzukassieren.
    Ich kann nachvollziehen, warum Francesca so erschüttert ist. Ihr tun ihre Altersgenossen leid, und gleichzeitig schämt sie sich für sie, weil sie sich so im Fernsehen vorführen lassen.
    »Weißt du, ich habe da ja auch schon reingeguckt. Die Mädels kichern bloß, machen Witze, flirten, ziehen sich aus, keifensich gegenseitig an und wackeln für die Zuschauer mit dem Arsch, mehr tun die doch nicht bei Big Brother. Und die Jungs rennen ständig in Unterhosen rum und laufen den Weibern nach, dann streiten die sich auch und schieben Hass aufeinander, ohne dass es einen wirklichen Grund gibt. Kann man noch behämmerter sein?«
    In diesem gedemütigten und von Unkultur gebeutelten Italien, wo in vielen Familien das auf ehrliche Weise verdiente Geld nicht bis zum Monatsende reicht, wo das Fernsehen zu ungehemmtem Konsum auffordert, glaubt inzwischen jeder, dass es irgendwie immer einen leichten Weg gibt, an Geld zu kommen, und deswegen träumen junge Mädchen wie Valentina davon, bei Big Brother mitzumachen.
    Da stehen sie alle aufgereiht und wollen nur eins: auffallen, sie hoffen auf einen kurzen Moment des Ruhms, der ihrer Meinung nach »die Chance« ihres Lebens ist. Hätten früher die Eltern nie ihre Einwilligung für eine derartige Zurschaustellung erteilt, geben sie heute ihren Segen, ja, sie

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