Die italienischen Momente im Leben
am besten selbst, denn es ist eben nicht nur eine Stadt, sondern ein ganzer Kosmos. Es ist das Bastkörbchen, das von einem Balkon herabgelassen wird, mit dem die Hausfrau ganz bequem im Nachthemd einkaufen kann, weil der Obsthändler ihres Vertrauens behutsam seine Ware hineinlegt, damit nichts herunterfällt, wenn sie das Körbchen wieder hochzieht. Es ist das Kindergeschrei in den Gassen, das Motorengeknatter der Mopeds, der chaotische Verkehr, die alltägliche Hektik wegen allem und nichts. Neapel ist ein bisschen arabisch, ein bisschen italienisch, ein bisschen ... ach, einfach ein bisschen von allem.
24.
ROMA – »CINECITTÀ«
2007
Es ist ein ungeheuer bewegendes Gefühl, wenn man aus der U-Bahn kommt und plötzlich diesen Schriftzug CINECITTÀ in riesigen Lettern vor sich sieht. Nicht so sehr für mich, schließlich kenne ich mich hier aus wie in meiner Westentasche, aber für meine Nichte Francesca, die Bühnenbildnerin werden will und das alles bisher nur aus dem Fernsehen kennt. Wir bezahlen den Eintritt und die Führung, haben aber noch eine halbe Stunde bis zum Beginn der nächsten Tour, in der wir uns etwas umschauen können. Ein roter Teppich (was sonst?) führt uns zu einem von antiken Statuen gesäumten Weg. Sie scheinen aus Stein gemeißelt zu sein, aber wenn man sie berührt, merkt man schnell, dass sie aus Glasfaserkunststoff bestehen. Die Statuen kommen uns bekannt vor, stimmt, die hatten wir doch im Film Gladiator gesehen. Wir beschließen, in der verbleibenden Zeit noch schnell einen Blick in die Bühnentechnikwerkstatt um die Ecke zu werfen: eine riesige Halle mit Kostümen und Requisiten aus berühmten Filmen. Wir bestaunen die Originalkostüme aus Kleopatra , das Lesepult aus Der Name der Rose und eine Rüstung aus Gladiator.
»Onkel Bruno, wenn ich daran denke, wie ich diesen Film gesehen habe und seinem Zauber erlegen bin …«
Der Führer hat noch auf die letzten beiden Nachzügler gewartet, und schon spazieren wir über den Broadway im Jahr 1800. Dieseriesige Kulisse ließ Martin Scorsese für seinen Film Gangs of New York mit Leonardo DiCaprio errichten. Der Führer erklärt uns, dass man in Cinecittà dafür auch einen Teil des alten New Yorker Hafens nachgebaut hat.
»Unglaublich, wenn man die Fassaden dieser Häuser anschaut, kommen sie einem so echt vor, und man möchte am liebsten gleich in eins der Geschäfte oder Restaurants reingehen. Aber sieh nur … dahinter ist gar nichts außer riesigen Gerüsten«, meint Francesca glücklich.
Während wir an den Läden entlangschlendern, fällt uns auf, dass die Schilder und die Speisekarten auf einmal alle in französischer Sprache sind. »Das ist ganz normal, ein Teil der alten Kulisse dient demnächst als eine Straße in Paris.«
Hinter dem Broadway der Gangs of New York muss man sich entscheiden: Rechts geht es zu dem berühmten »Studio 5« (14 Meter hoch und mit einer Fläche von 3200 m²), wo Fellini einen großen Teil seiner Filme drehte, und nun wird hier der Set für die nächste Staffel von Big Brother aufgebaut. Linkerhand liegt das Forum des antiken Roms zu Zeiten von Cäsar und Augustus. Natürlich handelt es sich dabei um eine riesige, der Phantasie entsprungenen Reproduktion, die die begabten Handwerker von Cinecittà in sieben Monaten Arbeit für die amerikanisch-europäische TV -Serie Rom konstruierten, eine der teuersten Fernsehproduktionen überhaupt, die zwar in Italien ein Flop war, aber dafür in Amerika und im übrigen Europa sehr erfolgreich gelaufen ist. »Schau mal, das ist alles styroporverstärkt mit Glasfaser. Aber wenn man davor steht, hat man irgendwie trotzdem das Gefühl, man hätte eine Zeitmaschine genommen.«
Die Führung neigt sich dem Ende zu. Jetzt bleibt nur noch ein Gebäude, das ganz Federico Fellini und seinen Filmen gewidmet ist, auch das Kleid, das Anita Ekberg in der berühmten Fontana-di-Trevi-Szene in La Dolce Vita getragen hat, kann man dort bewundern.
Auf unserem Weg nach draußen kommen wir noch an einem Straßenzug vorbei, in dem die Außenaufnahmen für eine andere berühmte Fernsehserie gedreht wurden. An einer Tür dieser künstlichen Häuserfassaden hängt ein Schild mit der Aufschrift: »Casting für Big Brother jetzt in Studio 10«.
Es ist nicht zu übersehen, denn eine lange, schier endlose ungeordnete Menschenschlange führt von ebendieser Tür fort, um die Straßenecke herum und endet dann vor den Pforten von »Studio 10«. Äußerst beeindruckend. Ungefähr 200 bis
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