Die italienischen Momente im Leben
Viva, in seinem Buch Vita di Fabrizio De André . [3]
»In dieser Bar kauften Fabrizio und Anna dann eine Flasche Cognac und zogen sich damit in eine Pension in der Nähe zurück, wo sie über Gott und die Welt sprachen und sich liebten.«
In seinen Liedern wollte Fabrizio De André immer an das Leben dieser Frauen erinnern, die aus den unterschiedlichsten Gründen auf der Straße gelandet waren, in dem Labyrinth der Altstadtgassen von Genua. Seinen Huren haftete meist etwas Romantisches an: »Große Augen, grün wie ein Blatt, wenn du Lust hast, sie zu lieben, nimm sie einfach bei der Hand«, sang er. Ein Lächeln, und für den Freier öffnete sich das Paradies.
Heute hat sich Genua wie viele andere Städte Italiens verändert. Und De André ist längst gestorben. Aber er hätte diese »großen Augen, grün wie ein Blatt« bestimmt auch in dem verlorenen Blick dieser anmutigen Nigerianerin gefunden, sie ist kaum zwanzig Jahre alt, die um sechs Uhr abends am Fenster eines Hauses in der Via Canneto Corto steht, um sie herum eilen die Hausfrauen aus den Läden nach Hause oder die Angestellten aus den Büros oder ein kleines Touristenmädchen an der Hand von Mama und Papa. Und er hätte sicherlich in einen Song die afrikanischen Rhythmen eingebunden, die sich aus den Fenstern in der Via Ravecca mit Geräuschen und Stimmen aus den maghrebinischen Lokalen mischen, die sich inzwischen in der Via Canneto Lungo breitmachen.
Aber wer waren diese graziose , diese Huren denn wirklich? Das können Sie nur ergründen, wenn Sie hierherkommen undüber die Via Garibaldi, den Vico Lepre und die Porta Soprana bummeln und den Blick dieser Frauen, ihren Alltag und ihre Sehnsüchte erforschen.
»Schatz, warum die Frau da mit nackten Brüsten steht, das erkläre ich dir später, wenn du mal größer bist. Dann spiele ich dir auch ein Lied vor, das dir bestimmt gefällt. Jetzt machen wir besser, dass wir weiterkommen, unsere Joy hat Hunger.«
In der Via del Campo steht eine »Graziosa«,
Große Augen, grün wie ein Blatt,
Die ganze Nacht steht sie in der Tür,
Allen verkauft sie dieselbe Rose.
In der Via del Campo steht ein Mädchen
Mit Lippen, frisch und kühl wie Tau,
Augen, so grau wie der Asphalt,
Blumen wachsen auf ihrem Weg.
In der Via del Campo steht eine Hure,
Große Augen, grün wie ein Blatt,
Wenn du Lust hast, sie zu lieben,
Nimm sie einfach bei der Hand.
Und du meinst, weit fortzugehen,
Sie schaut dich an mit einem Lächeln.
Du hast nie geglaubt,
Dass das Paradies gleich hier im ersten Stock liegt.
In der Via del Campo geht ein Träumer,
Er will sie bitten, ihn zu heiraten,
Will sie die Treppen hochgehen sehen,
Bis sie den Balkon geschlossen hat.
Liebe und lache, wenn die Liebe dir antwortet,
Weine laut, wenn sie dich nicht erhört.
Auf Diamanten wächst gar nichts,
Aber auf Mist wachsen Blumen.
Auf Diamanten wächst gar nichts,
Aber auf Mist wachsen Blumen. [4]
27.
BOLOGNA
1966
Mit meinen Eltern habe ich ein paar Wochen in einer Wohnung in der Via D’Azeglio verbracht, mitten in der historischen Altstadt. Wir waren Gäste von Signor Paolo, einem guten Freund meines Vaters, Anwalt wie er. Ich könnte einiges über diese Stadt erzählen, die ich mehr als jede andere in meinem Heimatland liebe. Als Erstes fällt mir zu Bologna ein, dass es eine der wenigen Städte Italiens ist, wo man bei jedem Wetter wunderbar flanieren kann, auch bei Regen, denn man wird nicht nass: Man dreht seine Runden einfach unter den Arkaden, und selbst eine Mutter mit Kinderwagen kann bedenkenlos bei jedem Wetter einen Schaufensterbummel machen.
Die Arkaden prägen das gesamte Stadtbild, sogar die Treppe hinauf zum Heiligtum der Heiligen Jungfrau von San Luca (es liegt in den berühmten Hügeln von Bologna), jenen äußerst anstrengenden Wallfahrtspfad von über tausend Stufen, haben die Bologneser überdacht: Es ist wohl einer der längsten Bogengänge der Welt, er erstreckt sich über eine Länge von fast vier Kilometern und zählt 666 Bögen. Nicht umsonst ist es Brauch in Bologna, Schwüre abzulegen, um die Hilfe der Madonna zu erflehen: »Wenn das und das gut geht, gehe ich zu Fuß nach San Luca hinauf.« Signor Paolo hat einmal geschworen: »Wenn Bologna den AC Milan schlägt, gehe ich zu Fuß nach San Luca hinauf.« (Erwar fest überzeugt, dass sie in diesem Jahr das Rückspiel verlieren würden, und stattdessen gewann tatsächlich Bologna 2:1!)
Eine Pflichtetappe ist im Winter für jeden Bologneser an der
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