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Die italienischen Momente im Leben

Die italienischen Momente im Leben

Titel: Die italienischen Momente im Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Maccallini
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Körper bestand inzwischen sicher aus nichts anderem als einer Mischung aus Mehl, Weißwein, Zucker, Kakao und Salz mit Ricotta, kandierten Früchten und Bitterschokolade. Ihre zweite Leidenschaft war Mimi, ihr ewiger Verlobter, der allerdings jedes Mal, wenn sie sich näherte, die Beine in die Hand nahm. Bei den seltenen Gelegenheiten, wenn man die beiden mal zusammen sah, verschwand er beinahe hinter Mena, schmächtig und klein, wie er war, das genaue Gegenteil von ihr. Doch an einem Spätnachmittag sollte sich alles ändern: Wie gewohnt holte sich die Cannoli-Frau gerade ihren Vorrat in Giovanninos Pasticceria, als sich ihr Verlobter, von einem unerklärlichen Eifersuchtsanfall getrieben, hinter dem Verkaufstresen postierte, um sich davon zu überzeugen, dass ihm seine Verlobte auch treu war. »Oooh, mein Mimì! Bist du etwa meinetwegen hier? Komm her, lass dich umarmen!« Vor lauter Glück fiel ihrsogar das Tablett mit den cannoli aus der Hand, und ungeschickt stolperte sie darüber, während sie mit weit ausgebreiteten Armen auf ihn zulief. In den folgenden Wochen kam Filomena, genannt Mena, noch öfter in die Pasticceria; ein glücklicher Zufall hatte es so gefügt, dass sie endlich die beiden Leidenschaften in ihrem Leben vereinen konnte, die cannoli und ihren Verlobten, denn der musste nun in einem Bett des benachbarten Krankenhauses ein gebrochenes Bein und sechs gebrochene Rippen auskurieren.
    Sasà hat noch eine Geschichte auf Lager: »Du musst wissen, dass das sizilianische cannolo aus Caltanissetta stammt, dem früheren Kalt El Nissa, was Burg der Frauen bedeutet … Dort war zur Zeit der sarazenischen Herrschaft der bedeutendste Harem von ganz Sizilien untergebracht. Die Frauen dort mussten sich ja irgendwie die Zeit vertreiben und versuchten sich nach Lust und Laune an irgendwelchen Küchenexperimenten. Auf diese Weise erfanden sie eines Tages das cannolo , ähnlich geformt wie eine Banane und ...«
    Sasà lässt den Satz unbeendet und zwinkert mir zu.
    »Ein echtes cannolo wird immer frisch mit Ricotta aus Schafsmilch gefüllt.«
    Ich rieche an dem letzten leckeren und knusprigen Gebäckstück, schließe die Augen und lasse mich von den Sinneseindrücken überwältigen, die direkt und ohne Umwege auf mein Gehirn einstürmen. Sasà erzählt weiter, und auch das ist ein reines Vergnügen … Ich könnte stundenlang hier sitzen bleiben. Aber wir müssen los.
    »Jetzt bringe ich dich nach San Vito lo Capo, das sind nur ein paar Minuten mit dem Auto. Dort musst du noch ein anderes cannolo kosten, und hinterher sollst du entscheiden, welches besser ist.«
    Im alten Fischerdorf San Vito ist der starke arabische Einfluss noch überall deutlich sichtbar. Die weißen, niedrigen Häuser, an denen sich Bougainvileen emporranken, und die blendend weißen, beinahe tropischen Strände vor dem türkisblauen Meer, wo noch viele antike Schätze verborgen liegen, haben es zu einem der berühmtesten Sommerurlaubsorte in ganz Sizilien gemacht.
    Wir parken vor einem einfachen Schild, auf dem mit auffälligen Buchstaben der Name Capriccio steht. Schweigend betreten wir den Raum. Vorher hat mich Sasà noch streng angesehen und ermahnt: »Also bitte, kein Wort – das ist hier so, als würdest du eine Kirche betreten.«
    Es kommt jemand angeschlurft, »die Monarchin«, eine kleine alte Frau, die ein Bein nachzieht. Sasà begrüßt sie respektvoll: »Ich habe einen Freund mitgebracht … mach uns zwei.«
    Sie beäugt mich misstrauisch, dreht sich, ohne eine Regung zu zeigen, um und geht ins Hinterzimmer des Ladens. Fünf Minuten später kehrt sie mit einem Teller zurück, auf dem zwei mit Schokolade gefüllte cannoli liegen.
    Kaum habe ich hineingebissen, fühle ich, wie sich ein enormes Wohlgefühl in meinem ganzen Körper ausbreitet. Es schmeckt himmlisch. Einen Moment lang meine ich, die Glocken läuten zu hören. Ich setze mich auf eine Bank an der Piazza und betrachte die Landschaft. Sasà sitzt neben mir. Ich sehe das Meer vor mir, die Sarazenen, die Frauen im Harem, ich sehe über die Grenzen der Geschichte und der Zeit hinweg.
    »Weißt du was, Sasà … was für ein herrliches Bild, wie die Odalisken das Gebäck herstellen ... Da wäre ich doch gerne Sultan gewesen ...«
    »Wem sagst du das … also, welches hat dir jetzt besser geschmeckt?«
    »Vielleicht dieses hier, das mit Schokolade gefüllte. Aber verrat mir bitte das Rezept.«
    »Du nimmst Mehl, dazu Zucker und Butter, aber sie muss weich sein, dann den Kakao,

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