Die italienischen Momente im Leben
Wunder! Man hört nur das sanfte Rattern der Räder. Ich stehe auf, lege die Hand auf meinen Magen, wo der Cappuccino von heute Morgen hin und her schwappt, und bleibe vor der Drucklufttür stehen ... gemeinsam mit »meinem Freund« mit den Koteletten. So vergeht die Zeit schnellund wir erreichen schließlich den Bahnhof Firenze Santa Maria Novella. Allmählich leert sich der Zug, immer mehr Reisende steigen aus, und es tut mir beinahe leid, weil ich so nie erfahren werde, wie die Geschichten ausgehen, die sich vor meinen Augen abgespielt haben. Da gehen sie ihrer Wege: das Rotschöpfchen mit dem Kreuzworträtsel, der trainingsbesessene Rugbyspieler und auch die beiden Nonnen, die sich gerade mit einem »Gelobt sei Jesus Christus« von mir verabschiedet haben, aber es klang eher so, als wollten sie ihre Schäfchen zum rechten Glauben ermahnen.
Hier verlassen die Fahrgäste aus der Toskana den Zug, deren »c« immer wie ein guttural gehauchtes »h« klingt, und es steigen die mit dem für die Gegend Bologna-Reggio Emilia-Piacenza typischen »r« ein. Außerdem nutzen die Nikotinabhängigen die Gelegenheit auszusteigen und auch die Leute, die unbedingt etwas am Imbissautomaten kaufen wollen, allerdings können die Waren darin den Tortellini von früher nicht im Mindesten das Wasser reichen. Es geht weiter, die Tür gibt kurz vor dem Schließen dieses satte Puffgeräusch von sich.
Genau in diesem Moment greift sich der Typ mit den spitzen Koteletten einen Koffer aus dem Gepäcknetz und springt aus dem Zug, bevor sich die Tür vollständig schließt. Der Gedanke schießt mir durch den Knopf, schneller als dieser Hochgeschwindigkeitszug: Wenn jemand an einem Bahnhof aussteigen will, wartet er doch nicht bis zur letzten Sekunde, um seinen Koffer zu nehmen und aus dem Zug zu springen, das bedeutet ... der Mann mit den Koteletten ist ein Dieb! Ich gehe in den Wagen zurück und mache mich mit lauter Stimme bemerkbar:
» ICH GLAUBE, ES WURDE GERADE EIN KOFFER GESTOHLEN! «
Die Hälse unter den Dauerwellen und über den Designerkrawatten röten sich erregt, die Laptops werden zugeklappt, alleBlicke sind jetzt auf mich gerichtet. – Wer, was, wann, wo, wie konnte das geschehen, wie sah der Koffer aus? –
»Er war klein und grün.« – » O SCHRECK, DAS IST MEINER «, schreit eine attraktive junge Frau und sieht sofort mit ihrer Begleiterin nach ihrem Gepäck.
»Ja, es ist wirklich meiner, mein Gott, meine schönen Kleider für Paris und der Fotoapparat ... aber Sie«, meint sie und sieht mich nicht gerade freundlich an, »hätten Sie das nicht etwas früher bemerken können?«
Da hat wohl jemand durch die Aufregung den Verstand verloren, denke ich bei mir.
»Wissen Sie, wie der Dieb aussah?«
» DAS WAR DER MIT DEN SPITZ ZULAUFENDEN KOTELETTEN. «
Jeder der Fahrgäste kann sich genau an ihn erinnern. Wir gehen zum Zugführer in Wagen drei: die Bestohlene, ihre Freundin und ich, der ich mich schon beinahe wie ein Held fühle, Monsieur Poirot, der die Situation klärt, aber sofort stiehlt man mir die Schau. Die beiden nehmen alles selbst in die Hand, sie erzählen jedes Detail, beschreiben, was geschehen ist. Der Zugführer schiebt mich höflich zur Seite, ihm reichen schon zwei aufgeregte Frauen, und ich bin der ruhigste von allen. Die Bahnpolizei von Florenz wird telefonisch über alle Einzelheiten des Falles informiert.
Ich gehe in meinen Waggon zurück und setze mich auf meinen Platz. Mein Magen beruhigt sich allmählich, während der Zug durch die Ebene fährt. Dann kommen auch die Bestohlene und ihre Freundin zurück, die sie stützt und tröstet. Mir gönnen sie nicht einmal einen Blick und ...
»Das sind wirklich tolle Weihnachten, ausgerechnet mir musste das passieren. Was soll ich denn jetzt in Paris anziehen? … Nein, hör mal, ich fahre gleich nach Hause, sobald wir in Mailand ankommen, kehre ich um ... und dann muss ich meinem Vater irgendwie beibringen, dass ich mir seinen Fotoapparat hab’ klauen lassen.«
Zehn Minuten später kommt der Zugführer wieder, er strahlt über das ganze Gesicht: Die Polizei hat den Dieb aufgrund meines raschen Hinweises und der genauen Beschreibung geschnappt. Der arme Teufel lief noch mit dem grünen Koffer in der Hand in der Nähe des Bahnhofs herum.
»Signorina, Sie können sich den Koffer jederzeit bei der Polizei abholen, na, sind Sie glücklich?«
Natürlich ist sie das: Sie zwitschert wieder fröhlich, ihre Freundin stimmt mit ein, und sie kann nun den Gedanken
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