Die italienischen Momente im Leben
untätig auf sich sitzen, und so kam es manchmal zu richtiggehenden Dramen.«
Heute feiert der Bürgermeister mit und führt den Festzug zusammen mit dem festlich gewandeten Gemeinderat an. Er wird auch die berüchtigten (und begehrten) »Gemeindehörner« auf dem Kopf tragen, die in den Landesfarben und mit zwei Olivenzweigen geschmückt sind.
Neben ihm läuft der ehemalige Bürgermeister, ein altgedientes Vereinsmitglied, der mir übermütig seinen Ausweis hinhält und, auf die Hörner deutend, ausruft: »Wenn irgendjemand meint, dass ich die nicht verdient habe, dem haue ich sie aufs Maul.«
Fast könnte man glauben, hier seien Seitensprünge inzwischen eine regionale Spezialität. »Was wollen Sie machen?«, sagt Signora Antonietta und zwinkert mir verschwörerisch zu. Sie hat vor 32 Jahren einen Mann aus Ruviano geheiratet. »Wir Frauen setzen eben alles daran, damit die Männer ins Grübeln kommen ...«
Aber fragt man einen von ihnen, ob es hier in Ruviano wirklich so viele betrogene Ehemänner gibt, sind sie beleidigt und antworten empört: »Nicht mehr als im Landesdurchschnitt!«»Im Gegenteil«, beharrt einer noch, »ehrlich gesagt, liegen wir sogar noch etwas darunter!«
Sant’Arcangelo und Ruviano eint somit das Fest des heiligen Martin und die Sache mit den Hörnern. Ich habe mich gefragt, warum ausgerechnet an diesem Tag der Betrogenen gedacht wird, daher habe ich ein wenig nachgeforscht und unterschiedliche Erklärungen gefunden, aber nur zwei Gründe scheinen mir glaubhaft: Zum einen feierte man wohl früher im November zwölf Tage lang ein zügelloses heidnisches Fest, bei dem es häufig zu Seitensprüngen kam. Außerdem fanden am Martinstag viele Viehmärkte statt, und man machte sich so seine Gedanken, was wohl die Ehefrauen daheim trieben, während die Männer unterwegs waren. Im Zuge meiner Recherche fand ich noch heraus, dass es tatsächlich bloß Männer sind, die Hörner aufgesetzt bekommen, auch das ist doch – für uns - höchst interessant.
Zum Abschluss dieses Kapitels über Hörner und Gehörnte möchte ich Ihnen noch eine besondere Suppe mit dem schönen Namen rappacornuti , »Hahnreibesänftigung«, vorstellen! Es heißt, weil sie so schnell und einfach zuzubereiten ist und man sie lange warm halten kann, kochten die Frauen von Roccagorga, einem kleinen Dorf im Latium, die Suppe schon morgens für ihre Ehemänner als Abendessen nach der Feldarbeit und hatten dann tagsüber genügend Zeit für mögliche außereheliche Aktivitäten.
Ich weiß nicht mehr, von welchem italienischen Komiker der Ausspruch stammt, Hörner seien wie Zähne, sie tun nur dann weh, wenn sie rauskommen. In diesem Sinne widme ich Ihnen das folgende Gericht, mit dem Sie sich über eventuelle Höcker auf Ihrer Stirn hinwegtrösten können ... man kann ja nie wissen.
Zuppa rappacornuti:
Zwei Knoblauchzehen und eine Zwiebel in einem großen Topf in Olivenöl anbraten, dann gewürfelte Zucchini, Tomaten, Peperoncini, Erbsen und dicke Bohnen hinzufügen und mit genügend Wasser aufgießen. Altbackenes Brot, das man zuvor in dünne Scheiben geschnitten hat, in eine Suppenterrine geben. Wenn das Gemüse gar ist, über das Brot gießen und die Terrine mit einem sauberen Tuch bedecken. Das Ganze so lange ziehen lassen, bis das Brot schön mit der Brühe vollgesogen und weich ist.
33.
TRIEST – DER AUFGESCHOBENE KAFFEE
2011
Wir alle hängen doch, die einen mehr, die anderen weniger, an einigen vertrauten Spielsachen aus unserer Kindheit. Ich erinnere mich noch genau, dass mich als kleiner Junge die alte Bialetti-Caffettiera faszinierte, mit der unsere Mutter zu Hause den Kaffee kochte. Ich nahm sie gern auseinander und spielte damit wie mit einer Puppe, weil mich der gerippte Wasserbehälter aus Chrom so sehr an den Faltenrock meiner kleinen Cousine Juliana erinnerte (in die ich heimlich verliebt war). Diese Caffettiera wurde mein Lieblingsspielzeug, und ich gab sie nicht mehr her, sodass sich meine Mutter eine neue kaufen musste. Außerdem war da noch ein buntes Plastikhuhn, bei dem die Beine einknickten, wenn man seinen Kopf hinunterdrückte, und dann kam hinten, na, Sie wissen schon wo, ein Ei heraus. Schließlich noch eine blasse Kuh, aus ihrem Euter spritzte Milch, sobald man den Schwanz auf und ab bewegte. Ja, stimmt, das war eigentlich kein Spielzeug, und schon gar nicht für Jungs, aber mehr hatte ich nicht, damit musste ich eben vorliebnehmen. Damals galt das schon als Luxus. Heute haben die Kinder
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