Die italienischen Momente im Leben
mit einem Tropfen (!) Milchschaum
Und aufgepasst: Puristen zufolge muss dieser Tropfen genau in der Mitte der Tasse platziert sein und auf dem Kaffee schwimmen. »Wenn man Zucker hinzugibt, dann ohne den Tropfen zu zerstören!«
Zur vollständigen Verwirrung trägt dann der »Caffellatte« bei beziehungsweise das, was die Triester darunter verstehen, denn im übrigen Italien nennt man das im allgemeinen »Cappuccino«. In den vielen Jahren, in denen ich immer wieder in diese wunderschöne Hafenstadt gekommen bin, habe ich nie begriffen, was zum Henker man bestellen soll, wenn man am Morgen das trinken möchte, was in Italien sonst Caffellatte heißt. Unglaublich ist auch, dass man sich nur wenige Kilometer weiter schon wieder auf andere Bezeichnungen einstellen muss. Fährt man zum Beispiel nach Udine, das noch zum Friaul gehört, und bestellt dort einen Nero , dann bekommt man nicht etwa einen Kaffee, sondern ein Glas Rotwein serviert ... was um sieben Uhr morgens manchmal schon schmecken kann, doch meist eher als unangenehm empfunden wird. Also immer schön auf die selbst bei geringer Entfernung herrschenden Sprachunterschiede achten!
In den anderen Teilen des Stiefels ist der Ton in den Bars einfach und familiär geblieben. Mi fai un caffè, grazie? – »Machst du mir bitte einen Espresso?« Dieser schlichte Satz genügt, und der barista weiß Bescheid. Da überlegt man sich höchstens noch, ob man einen Schuss Milch hinein möchte, je nach Geschmack kalt oder warm.
In Triest sollten Sie allerdings nicht versuchen, sich selbst aus den Milchkännchen zu bedienen, die auf dem Tresen stehen! Seien Sie vorsichtig, denn der Barmann wird protestieren,weil er Ihnen unterstellt, dass Sie mehr als einen Schuss nehmen und sich somit einen Cappuccino erschleichen wollen!!!
Aber zurück zu unserer Getränkekarte. Hier finde ich noch ausgefallenere Varianten … nur was für Kenner.
»Il Doppio« = ein doppelter Espresso (ratsam vor jeder Wildschweinjagd oder wichtigen Geschäftsterminen)
»Il Ristretto« = ein Espresso mit ganz wenig Wasser, aber auch wenig Koffein, quasi nur ein Tropfen
Apropos: Ich habe mich jahrelang geweigert, einen Lungo auch nur zu probieren, weil ich dachte, der wäre zu schwach. Tatsächlich ist der Ristretto aus der Bar deutlich dünner, weil er so schnell zubereitet wird. Wenn wir den Lungo dagegen zu Hause mit unserer Caffettiera machen, dauert es mindestens drei Minuten, dem Pulver wird daher deutlich mehr Koffein entzogen, auch wenn mehr Wasser verwendet wird. Ist doch klar, oder?
»Il Lungo« = die Espressotasse wird bis zum Rand gefüllt
»L’Americano« = Espresso, zu dem extra heißes Wasser zum Selbstverdünnen gereicht wird
»Il Corretto« = mit einem Tropfen Likör oder Schnaps (ich nehme dafür am liebsten Anisschnaps oder mistrà , die venezianische Variante des griechischen Ouzos)
»Il Decaffeinato« = entkoffeinierter Kaffee mit Sahnehäubchen, der kalt oder frisch im Mixbecher geschüttelt wird
»Il caffè d’Orzo« = (einfach Malzkaffee und damit ja eigentlich kein Bohnenkaffee – er wird eben aus Malz hergestellt – aber er gehört irgendwie zur Familie)
»Il Marocchino« = ein Mini-Cappuccino mit einem Hauch von Kakao
Jetzt verstehe ich allmählich, warum Ausländer bei der Fülle an Ausdrücken an der Bartheke ins Stammeln geraten und nie das bekommen, was sie eigentlich möchten. Ist doch alles ein einziges großes Rätsel. Und die Karte ist noch nicht zu Ende. Da gibt es außerdem:
»Il Gran Caffè del Capo B«
»Il Gran Gocciato«
»Il Maxi schiumato«
Also, die erkläre ich Ihnen jetzt nicht mehr, um Sie nicht weiter zu verwirren.
Ich kann mich inzwischen in die Deutschen einfühlen, die nach dem Essen einen normalen Cappuccino ordern (eine Vorstellung, bei der sich jedem echten Italiener die Haare aufstellen). Aber das geht eben am einfachsten!!!
Zur Unterstützung der Kaffeehauskultur hat man hier in Triest vor ein paar Jahren die Veranstaltungsreihe Le vie del caffè – »Die Wege des Kaffees« ins Leben gerufen, die alljährlich um die Weihnachtszeit stattfindet. Konzerte und Lesungen werden in historischen Kaffeehäusern abgehalten, und ich bin heute hier, um die charakteristischsten Cafés zu filmen:
Das Caffè Tommaseo: 1830 eröffnet, ist es das älteste Kaffeehaus in Triest. Benannt wurde es später nach dem renommierten Schriftsteller Niccolò Tommaseo. Die Wanddekoration stammt von dem friulanischen Maler Gatteri, die Spiegel wurden
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