Die italienischen Momente im Leben
Spielekonsolen oder gleich Smartphones, auf denen Apps alles ganz allein machen. Ob das jetzt besser ist oder schlechter? Auf jeden Fall anders! Doch man musste früher deutlich mehr Phantasie entwickeln, um sich mit dem wenigen, was man hatte, zu vergnügen ... Und jetzt denke ich wehmütig daran zurück. Immerhin habe ich die kleine Bialetti-Caffettiera aufbewahrt, sie steht bei mir in der Küche und erinnert mich an die vielen Kaffees, die mit ihr gekocht wurden, und an lang zurückliegende Kinderspiele. Ob sie daran schuld ist, dass ich so viel Wert auf mein morgendliches Espresso-Ritual lege?
Wir Italiener trinken viel Kaffee. Eine kürzlich veröffentlichte Studie besagt, dass jeder Italiener zu Hause oder in einer der zahlreichen Bars im Jahr durchschnittlich viereinhalb Kilo Bohnen als Espresso, Cappuccino oder in einer der vielen Varianten zu sich nimmt, auf die ich später noch zu sprechen komme. Bloß die Deutschen und die Amerikaner liegen mengenmäßig noch vor uns, allerdings versteht man im Ausland, vor allem in Deutschland, unter einer Tasse Kaffee eine weit größere Tasse als bei uns.
Eine der Städte, in der Kaffeekultur und -tradition eine große Rolle spielen, ist zweifelsohne Triest, die Hauptstadt der autonomen Region Friaul-Julisch Venetien und der Provinz Triest. Hier mischen sich italienische, mediterrane, mitteleuropäische und slawische Einflüsse, Triest hat als »Grenzstadt« seinen ganz eigenen, weit bekannten Charme entwickelt, und noch heute sind die historischen Zeichen einer nicht immer friedlichen Vergangenheit mit den vielen ethnischen und religiösen Gemeinschaften überall deutlich sichtbar; Triest kann sich also mit Fug und Recht als kosmopolitisch bezeichnen. Wie sollte es auch anders sein, hat doch schon der Name einen indoeuropäischen Ursprung, denn er leitet sich von terg ab, und das heißt wörtlich »Markt«, also Ort der Begegnung und des Austauschs. Diese reiche Vergangenheit spiegelt sich auch in den Gebäuden wider, die von den Glanzzeiten der Stadt zeugen, beginnend im Römischen Reich über den Neoklassizismus bis hin zum Jugendstil.
In Triest, das schon im achtzehnten Jahrhundert Freihafen für den Import von Kaffee war, entstanden die ersten großen Kaffeeröstereien Italiens und in der Folge die vielen wunderschönen historischen Kaffeehäuser, in denen im neunzehnten Jahrhundert zahlreiche berühmte Schriftsteller und Dichter wie James Joyce, Stendhal und Italo Svevo verkehrten. Diese Kaffeehäuser sind auch heute noch ein lebendiger Beweis dafür, wie stark der »Türkentrank« – so wird er bei Mozart genannt – in der Kultur der Stadt verankert ist.
Kaffee und Triest. Hier muss man zunächst etwas vorausschicken: Fragt man in Italien jemanden, ob er kurz einen Kaffee mit einem trinken möchte, dann bedeutet das normalerweise: »Machen wir doch eine kleine Pause« oder auch »Ich muss dich mal sprechen«. In Triest bedeutet es allerdings weit mehr. Für die Bewohner dieser Stadt (zugegeben, das Gleiche gilt auch für die Neapolitaner) ist es eine Aufforderung, sich auf eine andere Ebene zu begeben. Also nicht nur räumlich – man geht vom Arbeitsplatz oder von zu Hause zur nächstgelegenen Bar –, sondern auch im Hinblick auf Kommunikation und Beziehung, kurz gesagt, man geht vom Formellen zum Informellen über, man kommt sich näher, und die Atmosphäre ist gleich eine andere. Ist man dann erst einmal in der Bar, müsste man nicht mal mehr einen Kaffee trinken und könnte getrost etwas anderes bestellen, etwa einen Tee oder ein Mineralwasser. Oder mal eine Variation des üblichen caffè , den man in Deutschland als Espresso bezeichnen würde, aber dann hat man angesichts der zahllosen Möglichkeiten und Namen nur die Qual der Wahl.
Offensichtlich hat die enge Verbindung zwischen Kaffee und Triest dazu geführt, dass sich ein hochkomplexes einschlägiges Vokabular entwickelt hat. Ich liste hier einmal wortgetreu die Karte auf, die ich auf der Theke einer Bar gefunden habe, und gebe Ihnen einige Erklärungen dazu:
»Caffè Nero« = Espresso in der üblichen kleinen Tasse
»Caffè Nero in B« = Espresso in einem für Triest typischen winzigen, meist gerippten Glas
»Caffè del Capo« = Espresso macchiato, also mit einem Schuss Milch
»Caffè del Capo in B« = derselbe Espresso macchiato im Glas
»Caffè Deca« = entkoffeinierter Espresso in der kleinen Tasse
»Caffè Deca in B« = entkoffeinierter Espresso im Glas
»Caffè in Goccia« = Espresso
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