Die italienischen Momente im Leben
niemanden entdecken. Die bedrohliche Warnung hatte ihn schon ziemlich erschreckt. Er rannte los, dann fing er an zu weinen und war so verzweifelt, dass er schließlich auf einen Baum kletterte.
Das Glück wurde in der Morgendämmerung der Welt geboren, das heißt, es hat schon immer existiert. Schön und heiter, rege, flatterhaft, manchmal auch unerreichbar.
Und da er fest davon überzeugt war, das Glück könne ihn einfach nicht finden, dachte Speckbombe, es wäre vielleicht besser, an einem Ort zu warten, und vielleicht würde das Glück, wenn er so weit oben saß, früher oder später doch zu ihm kommen.
»Aber wie willst du ihm denn begegnen, wenn du dich dort oben versteckst, du bist doch bloß zu faul, es zu suchen!«
Diese andere Stimme überraschte ihn, und er fuhr erschrocken hoch. Als er hinunterschaute, sah er in das Gesicht eines wunderschönen kleinen Mädchens, mit so schneeweißer, zarter Haut, so langen, blonden Haaren, dass er beinahe Lust bekam, vom Baum zu steigen, es zu berühren und auf den Mund zu küssen, wäre da nicht dieser vorwurfsvolle Satz gewesen, dem jedoch sofort eine viel freundlichere Aufforderung folgte:
»Warum kommst du nicht runter und spielst mit mir?«
Speckbombe musste einen Moment daran denken, wie er immer abseits stand, während seine Schulkameraden miteinander spielten und er sie mit seinen großen grünen Augen beobachtete und im Stillen neidvoll über sie lästerte … aber nein, er war doch gar nicht neidisch, er verachtete sie, das war es.
»Du gehst ihnen aus dem Weg, deshalb lassen sie dich links liegen. Du magst sie nicht, und sie hassen dich dafür.«
»Was weißt du denn schon über mich?«, brüllte Speckbombe darauf empört.
»Los, komm da runter, spiel mit mir! Ich zeige dir, wie wenig man auf dieser Welt braucht, um glücklich zu sein.«
Speckbombe krabbelte unbeholfen vom Baum hinunter und schürfte sich dabei die Beine an der rauen Rinde auf. Als er unten war, überkam ihn die vage Vorahnung, dass es nur diese eine Begegnung geben würde. Aber er hatte auch eine klare Vorstellung davon, was totale Stille und Einsamkeit bedeutete, deshalb stammelte er:
»Bald ist Weihnachten, und ich möchte es diesmal nicht so verbringen wie all die anderen, ich will auch Spaß haben wie meine Cousinen!«
Da kam das kleine Mädchen mit der schneeweißen, zarten Haut und den langen blonden Haaren zu ihm, hob sanft sein Kinn an und sagte:
»Öffne dein Herz, Junge!«
Speckbombe lächelte zunächst ungläubig. Doch auf einmal kam ihm die Welt so schön und bunt vor, heiter und voller Anmut. Der Junge schloss die Augen, und geblendet von so viel unerwarteter Freude, seufzte er:
»Hier bin ich, Glück, ich habe dich gefunden und du mich.«
Jeder weiß doch, dass es für alle Kinder den einen entscheidenden Moment gibt. Und so fand Speckbombe sein Glück, als er schon fast alle Hoffnung aufgegeben hatte. Von nun an, beschloss er, würde er ihm immer mit erhobenem Kopf entgegengehen.
Eine solche Erfahrung kann ein ganzes Leben lang halten, es fühlt sich an, als würde man über einen Regenbogen schreiten.
Ihr werdet es nicht glauben, aber auch noch nach so vielen Jahren hat das Glück ihn nicht verlassen, es ist immer noch bei ihm.
32.
SANT’ARCANGELO DI ROMAGNA | RUVIANO (KAMPANIEN)
2005
Die Lage von Sant’Arcangelo mit der Altstadt auf einem Hügel und den restlichen Vierteln in der Poebene und der eher »bäuerliche« Typus seiner Einwohner machen diese Kleinstadt im Hinterland von Rimini zu einem ganz besonderen Ort. Trotz des vermehrten Tourismus in den letzten Jahren ist es immer noch sehr ruhig in Sant‘Arcangelo, das auch für ein alljährlich stattfindendes Fest zu Ehren des heiligen Martin bekannt ist.
Dieses unglaubliche Volksfest lockt Tausende von Besuchern an, es findet immer an dem Wochenende rund um den 11. November statt (eben dem Martinstag) und hat sich sein ländliches Flair bis heute erhalten. Fahrende Händler schlagen ihre Stände auf, es gibt eine Ausstellung mit alten Traktoren und Landmaschinen, einen Rummelplatz, Straßentheater, Geschichtensänger, Veranstaltungen und Ausstellungen jeder Art, die sich der Tradition und der Erinnerung widmen. Selbstverständlich hat das Martinsfest auch auf gastronomischem Gebiet viel zu bieten, denn Essen hat hier in der Gegend traditionell einen hohen Stellenwert. Alles dreht sich um Geflügel (mit entsprechenden Bräuchen und leckeren Hühnerspießen) und Wein (der Termin fällt nämlich
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