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Die Jaeger der Nacht

Die Jaeger der Nacht

Titel: Die Jaeger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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ich, was sie die ganze Zeit vorhatte. Ihr Ziel ist die Kammer, in der das alte Hepra gehaust hat. Sie rennt an einem der Pfähle und den dunklen Flecken auf dem Boden vorbei auf die offene Luke zu. Drei Leute, zwei Männer und eine Frau, sind durchgeschlüpft, splitternackt, weil ihnen bei der Jagd die Kleider vom Leib gerissen wurden. Sie haben den Mund grässlich weit zu einem Schrei aufgerissen, der auf dem Monitor stumm bleibt, für Ashley June jedoch ohrenzerfetzend sein muss. Wenige Meter vor der Luke lässt sich Ashley June fallen, rutscht durch die Öffnung und zieht dabei von innen an den Griffen. In einer aufwirbelnden Staubwolke fällt die Luke zu. Die drei Verfolger schlittern darüber hinweg, umringen dann mit gewölbten Muskeln das Loch, stoßen die Finger in die Ritze am Rand und versuchen die Luke aufzustemmen.
    Voller Entsetzen beobachte ich, wie der Deckel sich hebt. Ashley June hat es nicht geschafft, die Luke zu verriegeln. Die Stahlklappe hebt sich so weit, dass sie ihre Finger darunterschieben können, als eine Flut von Körpern auf sie stürzt und sie mitreißt. Nackte Leiber überall, ausgefahrene Ellbogen und wahllos um sich schlagende Arme. Die Luke fällt wieder zu. Und als diesmal Dutzende von Händen nach ihrem Rand packen, bleibt sie unten. Ashley June hat sie verriegelt.
    Lauf, ruft eine Stimme in meinem Kopf. Es ist meine eigene Stimme, die mich anbrüllt. Lauf! Aber meine Füße sind wie einbetoniert, mein Blick klebt an den Monitoren. Ich muss mich vergewissern, dass sie unversehrt ist.
    Es geht ihr gut, erklärt meine Stimme mir. Sie ist eingesperrt. Es gibt keine Möglichkeit, dort einzubrechen. Das weiß jeder.
    Oder wird zumindest bald jeder begreifen. Dass man nicht an das jungfräuliche Hepra-Weibchen herankommt.
    Und dann werden sie sich ganz schnell an etwas anderes erinnern: an das jungfräuliche Hepra-Männchen, das sich immer noch im Kontrollzentrum verschanzt.
    Lauf, Gene! Diesmal ist es nicht meine eigene Stimme, sondern die von Ashley June. Lauf! Das ist deine Chance zu entkommen!
    Deswegen hat sie sich die Hand aufgeritzt. Deswegen hat sie alle in die Introduktion gelockt. Um mir den Hauch einer Chance zu geben, ins Freie zu fliehen.
    Lauf, Gene!
    Ich laufe.
    Einen Moment lang sind die Flure geradezu unheimlich still. Selbst aus dem Treppenhaus dringt nur ein leises Murmeln, aufgestautes Getuschel. Bis ins Erdgeschoss sind es vier Stockwerke abwärts, ihnen entgegen und dann hinaus.
    Ich setze einen Fuß auf die erste Stufe … und es ist, als hätte ich unabsichtlich auf einen Knopf gedrückt. Sofort dröhnt ein Schrei durch den Treppenschacht, ein Brüllen der Wut, Frustration, Erkenntnis, Gier, gefolgt von einem regelrechten Gewirr aus Geräuschen: Nägel kratzen, Zähne knirschen, Krallen scharren an Wänden und auf Stufen. In meine Richtung.
    So schnell kommen sie schon!
    Ich springe den nächsten Absatz hinunter, auf sie zu, und spüre bei der Landung einen Rückstoß, der mir bis ins Mark schießt.
    Bei Ashley June sah es so leicht aus. Ich packe mit der linken Hand das Geländer, schwinge mich, genau wie sie, herum und springe mit klappernden Knochen zum nächsten Absatz.
    Der Chor des Kreischens von unten wird lauter. Es ist mein Angstschweiß, den sie riechen. Obwohl sie mir entgegenkommen, schwinge ich meinen Körper weiter, auf den vorletzten Absatz. Der Aufprall ist wie ein Schlag in meine Eingeweide. Ich sacke zusammen und halte mir vor Schmerz gekrümmt den Bauch. Vor meinen Augen wird alles gelb, rot, schwarz.
    Ich stehe auf, beiße die Zähne zusammen und hieve meinen Körper auf den Absatz im Erdgeschoss. Vor der Landung werfe ich einen Blick in den Treppenschacht: Hände mit langen Fingernägeln auf den Geländern, ein Schwarm von Leibern, der die Stufen hinaufdrängt, Augen, die im Dunkeln leuchten. Wie schwarzes Öl, das mir ungebremst entgegenspritzt.
    Sie sind noch fünf, höchstens zehn Sekunden entfernt.
    Obwohl meine Muskeln längst steinhart sind, schleppe ich mich weiter und ignoriere die mathematische Gewissheit meines Ablebens. Exakt diese Phrase schießt mir durch den Kopf: die mathematische Gewissheit meines Ablebens.
    Ich biege in den Korridor zur Rechten mit dem Wissen, dass ich noch maximal zwei Sekunden zu leben habe.
    Stolpere den Flur hinunter, taumelnd, wie eine Stoffpuppe mit wedelnden Armen, angetrieben allein von meiner Angst.
    Als ich fünf Sekunden später in den letzten Flur zur Halle einbiege, lebe ich immer noch. Ich muss

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