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Die Jaeger der Nacht

Die Jaeger der Nacht

Titel: Die Jaeger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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liegt, den Mund wie zu einem stummen Gähnen aufgerissen. Aber ich weiß, dass es kein Gähnen und auch nicht stumm ist. Es ist ein markerschütternder Schrei. Auf dem Monitor des Bankettsaals beginnen sich die an dem Kronleuchter hängenden Leute zu rühren. Der Leuchter schaukelt. Auch auf anderen Monitoren sieht man, wie die Leute an den Luftschächten die Augen öffnen.
    »Ich muss jetzt los!«, rufe ich Ashley June zu und wende mich von den Monitoren ab, bereit, aus dem Raum zu stürzen. Aber sie ist weg.
    …
    Ich weiß nicht, was ich von ihrem plötzlichen Verschwinden halten soll. Sie hat auf mich gehört, denke ich, aber das klingt irgendwie unwahr. Irgendetwas anderes geht vor.
    Ich reiße die Tür zum Kontrollzentrum auf. Der Flur ist leer. »Ashley June!«, rufe ich aus vollem Hals, und es ist mir egal, ob mich jemand hört. Die einzige Antwort ist mein Echo, das mir entgegenhallt.
    Ich habe keine Zeit zu verlieren. Ich renne einen Flur hinunter. Nach der Helligkeit im Kontrollzentrum ist der Korridor finsterste Mitternacht. Wenn ich Mucki im Foyer vor allen anderen erreiche, kann ich ihn ausschalten. Buchstäblich und im übertragenen Sinne. Wenn ich ihn zum Schweigen bringe, kann ich mir ein wenig Zeit verschaffen, zumindest bis zum Anbruch der Dämmerung.
    Und plötzlich weiß ich, dass Ashley June genau dorthin unterwegs ist. Ins Foyer, um Mucki auszuschalten. Sie weiß, dass ich sie nie hätte gehen lassen.
    Getrieben von Frustration und einer irrsinnigen Zärtlichkeit renne ich den zweiten Flur hinunter und stoße eine Tür zum Treppenhaus auf.
    Als ich in den dunklen Schacht hinabspähe, höre ich das Schreien und Kreischen, das Trampeln von Schuhen, das Patschen nackter Füße auf den Stufen und an den Wänden. Türen werden mit Wucht aufgerissen und wieder zugeschlagen. Geräusche treiben wahllos zu mir herauf, Echos, die in der Ferne zwischen den Wänden und Treppenstufen widerhallen.
    Es ist zu spät.
    Sie wissen es. Jetzt wissen es alle.
    Ein paar Stockwerke tiefer fliegt eine Tür auf wie ein Kanonenschlag. Füße huschen irrsinnig schnell über die Metallstufen, Fingernägel klackern über das Geländer. Sie sind auf dem Weg nach oben, auf dem Weg zu mir. Ein kollektives Zischen wie ein Wespenschwarm schwirrt mir entgegen, ein Urschrei hallt im Treppenhaus wider und dann haben sie mich gewittert. Sie sind hinter mir her.
    Ich mache auf dem Absatz kehrt und renne los. Denselben Weg zurück, den ich gekommen bin. Zurück zum Kontrollzentrum. Sie schließen schnell und wütend auf, ihre Schreie prallen von den Wänden um mich herum ab. Noch zwei Flure, nur noch zwei Flure.
    Ich biege gerade um die Ecke, als ich höre, wie die Tür zum Treppenhaus knallend aufgestoßen wird. Schneller, schneller …
    Ich packe den Türknauf des Kontrollzentrums, doch er rutscht mir aus der Hand, sie ist zu verschwitzt. Schließlich greife ich den Knauf fest mit beiden Händen, die Tür fliegt auf, ich stürze durch den Spalt und trete die Tür im Fallen zu.
    Sie fällt krachend ins Schloss und eine Sekunde später hört man auf der anderen Seite einen gewaltigen Aufprall wie von einem riesigen Vorschlaghammer. Das Rennen um den Türknauf beginnt.
    Ich springe auf und drücke auf den Verriegelungsknopf. Noch im selben Moment dreht sich der Knauf in meiner Hand und stößt gegen die Arretierung. Draußen erhebt sich ein furchtbares Geheul, das die Tür erzittern lässt. Dann wieder ein dumpfer Aufprall. Sie versuchen die Tür aufzubrechen.
    Ich ziehe mich in den hintersten Teil des Kontrollzentrums zurück. Lange wird die Tür nicht mehr halten. Vielleicht ein Dutzend Stöße noch. Sie werden hereinstürzen, eine Flut von alabasterweißer Haut, glänzenden Reißzähnen und hervortretenden Augen, heiß vor wahnsinniger Begierde. Das Sonnenlicht wird sie nicht zurückhalten. Für das kleinste Tröpfchen Blut werden sie bereitwillig Verbrennungen und vorübergehende Blindheit in Kauf nehmen.
    Auf den Überwachungsmonitoren an der Rückseite, die bis vor wenigen Augenblicken kaum Bewegung angezeigt haben, herrscht jetzt Chaos. Auf jedem Bildschirm sieht man Leute mit leuchtenden Augen in Nachthemden und Flanellschlafanzügen durch die Flure springen. Sie wissen es alle. Dass ich oben im Kontrollzentrum bin.
    Bum! Das Dröhnen von der Tür wird lauter: mehr Leute, mehr Kraft. Nägel kratzen an der anderen Seite, Heulen, Schreien und Hecheln, das Röcheln des Wahnsinns.
    Ich packe einen der stählernen Bürostühle und

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