Die Jaeger der Nacht
Zischen in meinem linken Ohr höre und spüre.
Und dann greift das Hepra zu seinem Messergürtel. Blitzschnell hat es einen Dolch herausgezogen und mit einer seitlichen Ausholbewegung geworfen. Der Dolch blitzt in der Sonne, jedoch weit weg. Weit daneben. Ungefähr eine Meile entfernt segelt der Dolch harmlos davon.
Logisch, denke ich. Diese Hepra sind nicht mehr als …
Aber dann beschreibt er eine Kurve wie ein Bumerang, bösartig blitzend und schnell, wie mit einem schalkhaften Zwinkern. Und ehe ich mich versehe, kommt der Dolch direkt auf mich zu. Ich werfe mich nach rechts. Der Dolch saust mit dem harmonischen Oberton einer Klangschale über mich hinweg. Die Luft wird aus meinen Lungen gepresst, als ich unsanft lande. Trotz der Schicht aus Sand und Schotter ist der Boden hart.
Dieses Hepra-Mädchen weiß, was es tut. Das ist keine Show. Es hat wirklich vor, mich zu verstümmeln, wenn nicht zu töten.
Ich springe mit erhobenen Händen auf, die Handflächen beschwörend ausgebreitet. Es greift wieder zu seinem Gürtel, wo drei weitere Dolche stramm ans Leder geschnallt warten wie Jagdhunde, die unruhig an ihrer Leine zerren. Im Handumdrehen hat das Hepra einen neuen Dolch gezückt und holt aus zum nächsten Wurf. Diesmal wird es sein Ziel nicht verfehlen.
»Halt! Bitte!«, rufe ich und zum ersten Mal kommen die Worte klar aus meinem Mund. Es hält inne.
Ich verschwende keine Zeit. Ich gehe wieder auf das Hepra zu und ziehe mir dabei das Hemd aus. Es muss meine Haut sehen, die Sonne auf meiner Haut, damit es erkennt, dass ich keine Gefahr darstelle. Ich werfe das Hemd weg. Ich bin nah genug, um zu sehen, dass sein Blick dem Hemd folgt und dann zu mir zurückzuckt. Es blinzelt und ich bleibe wie angewurzelt stehen. Ich habe fast noch nie jemanden blinzeln sehen. Es ist so … ausdrucksvoll. Das halbe Senken der Lider, die Fältchen wie ein Delta um seine Augenwinkel, die zusammengezogenen Brauen, selbst der Mund ist in einem verwirrten Zähnefletschen erstarrt. Es ist ein seltsamer Ausdruck, ein hinreißender Ausdruck. Es holt wieder aus, der Dolch blitzt in der Sonne.
»Warte!«, rufe ich krächzend. Es hält inne, seine Finger werden weiß, als es den Griff des Dolches fester packt. Ich streife Socken, Schuhe und alles bis auf meine Unterhose ab.
So stehe ich vor ihm und gehe langsam weiter.
»Wasser«, sage ich und zeige auf den Teich. »Wasser.« Ich mache eine schöpfende Bewegung mit der Hand.
Es mustert mich von oben bis unten, unsicher und argwöhnisch, und die Gefühle sind nackt und ursprünglich in seinem Gesicht zu lesen.
Ohne den Blick von ihm zu lassen, gehe ich in einem großen Bogen an ihm vorbei zum Teich. Er ist vollkommen rund und von einem Metallrand eingefasst, sodass er eher aussieht wie ein Swimmingpool. Ehe ich mich versehe, bin ich auf die Knie gesunken und tauche meine gewölbten Hände ins Wasser. Als es durch meine Kehle rinnt, ist es wie himmlische Kühle auf dem Kohlenfeuer der Hölle. Meine Hände tauchen erneut ins Wasser, um eine weitere Handvoll zu schöpfen. Dann vergesse ich alle Förmlichkeiten. Ich strecke meinen Kopf unter Wasser und schlucke die süße, kühle Feuchtigkeit.
Ich tauche auf, um Luft zu schnappen. Das Hepra hat sich nicht von der Stelle gerührt, doch die Verwirrung hat sich noch tiefer in sein Gesicht gegraben. Aber es strahlt keine Gefahr mehr aus. Im Augenblick nicht. Ich versenke den Kopf wieder im Teich, meine trockenen, rauen Haare saugen das Wasser auf wie Strohhalme. Beim ersten Kontakt zucken die Poren in meinem Nacken, bevor sie sich öffnen, um die kühle Feuchtigkeit aufzunehmen.
Als ich zum zweiten Mal auftauche und nach Luft ringe, ist das Hepra bis zum Teich gekommen. Es sitzt in der Hocke da, die Arme auf die Kniescheiben gestützt, wie ein Affe. Eine Hand liegt immer noch auf dem Dolch an seinem Gürtel, jedoch nicht mehr so angespannt.
Das Wasser wirkt beinahe sofort. Synapsen werden neu befeuert, mein Kopf fühlt sich nicht mehr an wie mit Holzwolle gefüllt, sondern wie eine gut geölte Maschine. Rasch erkenne ich meine Lage – und vor allem, wie rasch die Abenddämmerung in Dunkelheit übergeht! Jeden Moment wird die Kuppel aus der Erde hochfahren.
Ich ziehe meine Unterhose aus und springe in den Teich.
Zunächst lässt mich das Wasser fast erstarren. Die plötzliche Kälte presst die Luft aus meinem Körper. Aber ich habe keine Zeit zu vertrödeln. Ich tauche ganz unter und die eisige Flüssigkeit trifft meinen
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