Die Jaeger der Nacht
wenig entstaubt werden. Sie wird bereit sein. Genau wie ihr. Alle anderen Trainingseinheiten für heute sind bis auf Weiteres abgesagt. Und wer braucht schließlich eine Ausbildung? Man jagt die verdammten Viecher und frisst sie einfach.« Er schiebt seinen Ärmel hoch wie eine sich häutende Schlange und kratzt sein knochiges Handgelenk.
»Und noch etwas. Die Medien werden über das Galabankett berichten. Wir wollen, dass ihr euch von eurer perfekten Seite präsentiert. In ein paar Stunden treffen Schneider ein, die bei jedem von euch Maß nehmen. Sie werden für den Rest der Nacht mit euch beschäftigt sein.« Er streicht über seine gegelte Haartolle. »Eine Nacht nach dem Bankett beginnt die Jagd. Alle Gäste müssen bis zu ihrem Auftakt bleiben. Das heißt, ihr werdet mit einigem Pomp verabschiedet von Hunderten von Zuschauern und unter den Augen der Medien. Das sollte ein ziemliches Spektakel werden.«
Er starrt uns an und kratzt sich das Handgelenk. »Aber, aber, nun guckt nicht so versteinert. Ihr solltet eure dummen, besorgten Gesichter sehen. Ich weiß genau, was euch beunruhigt: Ihr habt Angst, dass die Heerscharen von Gästen euch bei der Jagd nach den Hepra nachlaufen werden. Aber keine Sorge. Eine Stunde vor der Abenddämmerung wird das ganze Gebäude komplett verriegelt. Niemand außer den Jägern kann es verlassen.«
Ohne ein weiteres Wort verschmilzt der Direktor wie gewohnt mit der Dunkelheit und wie üblich tritt Flatterkleid vor. Das ist nun so häufig geschehen, dass ich anfange mich zu fragen, ob sie nicht ein und dieselbe Person sind. Wenn ihre äußere Erscheinung nicht so unterschiedlich wäre – seine geschmeidig, ihre teigig –, käme ich wirklich ins Grübeln.
Die Entspannung nach Verschwinden des Direktors ist beinahe mit Händen zu greifen. Flatterkleids Gegenwart ist längst nicht so eindrucksvoll, und für gewöhnlich hat sie auch so wenig Substanzielles zu sagen, dass es einen Moment dauert, bis wir begreifen, dass sie gerade etwas Wichtiges verkündet.
»… deshalb ist es mir zugefallen, euch einige Details zu der Jagd mitzuteilen. Beim Morgengrauen vor der Nacht der Jagd werden die Hepra brieflich davon unterrichtet, dass die Kuppel defekt ist und deshalb zur Abenddämmerung möglicherweise nicht hochgefahren werden kann. Zur Vorsicht sollen sie sich unverzüglich zu einem vorübergehenden Schutzraum begeben, der auf einer Karte verzeichnet ist, die wir ihnen zur Verfügung stellen. Die Reise dorthin sollte nicht länger als acht Stunden dauern, sodass sie den Schutz vor Anbruch der Dunkelheit erreichen können, vorausgesetzt sie trödeln nicht. Dort stehen Nahrung und Wasser bereit, außerdem gibt es Fensterläden. Nach einer Woche sollen sie zurückkehren. Fragen?«
Mucki hebt den Arm. »Das verstehe ich nicht. Wenn sie dort vor Anbruch der Dunkelheit ankommen, können sie sich verschanzen, bevor wir überhaupt aufbrechen. Das soll doch eine Jagd werden und keine Belagerung.«
An der Zahl der Köpfe, die herumschnellen, wird deutlich, dass die Frage einen allgemeinen Nerv getroffen hat.
Aber Flatterkleid wirkt keineswegs beunruhigt. Sie kratzt sich langsam das Handgelenk. »Aber, aber, ein bisschen zappelig heute, was? Ihr habt offenbar alle vergessen, wie unfassbar leichtgläubig Hepra sind. Sie kaufen uns alles ab, was wir ihnen erzählen. Schließlich haben wir sie gezähmt, wir wissen, an welchen Fäden man ziehen muss.« Ihre Miene wird plötzlich ernst. »Es gibt keinen Schutz. Kein Gebäude, keine Fensterläden, keine Mauern, nicht mal einen einzigen Ziegelstein. Die Hepra werden euch auf der Jagd völlig schutzlos ausgeliefert sein.«
Das folgende Schmatzen ist so laut, dass wir kaum hören, was Flatterkleid weiter sagt.
»… Arsenal an Waffen«, beendet sie ihren Satz.
Wieder hebt Mucki den Arm. »Was meinen Sie mit ›Arsenal an Waffen‹?«
Flatterkleid kratzt sich, erkennbar selbstzufrieden, das Handgelenk. Sie macht eine Pause und weiß, dass sie unsere volle Aufmerksamkeit hat. »Dies ist eine wesentliche Änderung gegenüber früheren Hepra-Jagden. Wir haben beschlossen, die Hepra zu bewaffnen. Das wird die Jagd zweifelsohne länger ausdehnen, zu einer größeren Herausforderung machen und euch dadurch noch mehr Vergnügen bereiten. Je höher der Einsatz, desto größer der Spaß.«
»Bewaffnen? Womit?«, fragt Fettwanst barsch und eher neugierig als beunruhigt.
Das Bild eines Speers und eines Dolches wird auf die große Leinwand projiziert.
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