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Die Jaeger der Nacht

Die Jaeger der Nacht

Titel: Die Jaeger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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Tanzfläche, vorbei an Hagermann, der steif und verlegen stehen bleibt.
    Wie aufs Stichwort setzt das Quartett zu einem neuen Stück an, leiser und romantischer als das letzte. Um uns herum erhebt sich Getuschel, die anderen Paare bewegen sich an den Rand und überlassen das Rampenlicht Ashley June und mir, dem Jägerpaar. Die Tanzfläche gehört uns. Und plötzlich sind, ohne dass wir es beabsichtigt hätten, alle Augen im Ballsaal auf uns gerichtet. Ein paar Fotografen rangeln sich in Position, die Kameras schussbereit. Keiner von uns beiden will diese Aufmerksamkeit. Aber dafür ist es jetzt zu spät. Unsere gestrafften Schultern berühren sich, und ich spüre die Hitzewellen, die ihr angespannter Körper ausstrahlt. Trotz allem gibt es ein beinahe hörbares Klicken, ein Gefühl, dass alles richtig ist. Ein starker Sog zieht uns noch enger zusammen, als wären unsere Herzen zwei kraftvolle, beharrliche Magneten.
    Ich rufe alles ab, was ich in der Schule gelernt habe. Ich balle die Fäuste und verschränke die Fingerknöchel mit denen ihrer Fäuste. In der Schule habe ich die Tanzstunden immer gefürchtet, die körperliche Nähe gehasst und mir Sorgen gemacht, ich könnte die feinen Härchen auf meinen Fingern nicht gründlich genug rasiert haben. Aber heute mit Ashley June bin ich frei von Angst. Und frei zu fühlen: ihre Haut, die Nähe ihres Körpers, ihren zarten Atem an meinem Hals. Ihre glitzernden grünen Augen blicken in meine. Ich wünschte, ich könnte ihr etwas zuflüstern, doch zu viele Blicke sind auf uns gerichtet und die Musik ist zu leise. Und was würde ich auch sagen?
    Ich bin so in dem Augenblick versunken, dass ich beinahe vergesse, dass wir auch tanzen müssen. Ich presse meine Fingerknöchel fester gegen ihre, um ihr zu signalisieren, dass ich anfangen möchte. Sie reagiert mit einem kurzen Gegendruck und dann legen wir los. Für zwei Leute, die noch nie miteinander getanzt haben, sind wir erstaunlich gut. Unsere Körper bewegen sich, nach wie vor eng aneinandergeschmiegt, in gleichmäßigem Fluss, die Beine in harmonischem Einklang, fast ohne sich ins Gehege zu kommen. Wir setzen unsere Füße Zentimeter nebeneinander, aber niemals enger. In der Schule war Tanzen nie mehr als eine auswendig gelernte Folge von Schritten, eine Checkliste, die man abarbeiten musste. Aber mit Ashley June ist es ein Fließen, als müsste man nur ein Segel hissen und sich vom Wind treiben lassen. Am Ende des Stückes lasse ich ihre Hand für die Drei-Schritt-Drehung los und sie hebt ihre schlanken Arme über den Kopf wie ein kreiselnder Derwisch. Zum Abschluss der Drehung lässt sie ihr Haar verführerisch in ihr Gesicht fallen und durchbohrt mich mit einem Blick aus ihren grünen Augen. An einigen Tischen halten die Leute den Atem an.
    »Wow«, sage ich stumm.
    Das nächste Stück beginnt. Ashley June und ich trennen uns. Es folgen die obligatorischen Tänze mit den Offiziellengattinnen, die alle in meine Richtung strömen, da ihre hochrangigen Ehemänner zu wenig Interesse am Tanz oder ihren Frauen (oder beidem) haben, um sich von ihren Plätzen zu erheben. Die endlose Tanzerei und der oberflächliche Small Talk sind strapaziös und nach einigen Tänzen bildet sich ein Schweißfilm auf meiner Stirn. Ich muss eine Pause einlegen, aber in der Schlange warten einfach zu viele Frauen.
    »Riechst du auch was?«, fragt die Frau vor mir. Ich tanze seit einer Minute mit ihr, doch erst als sie diese Frage stellt, nehme ich sie zum ersten Mal wahr.
    »Nein, eigentlich nicht.«
    »Der Hepra-Geruch ist so intensiv. Ich weiß nicht, wie du dich bei dem Geruch konzentrieren kannst. Er ist so irritierend. Ich weiß, dass man sich angeblich nach einer Weile daran gewöhnt, aber er ist so kräftig, als ob er direkt vor mir wäre.«
    »Bei Westwind weht manchmal der Geruch aus der Kuppel rüber«, sage ich.
    »Es kam mir heute Abend gar nicht so windig vor«, sagt sie mit einem Blick zu dem geöffneten Fenster.
    Die nächste Frau ist sogar noch direkter. »Ich sage dir, irgendwo in diesem Saal ist ein Hepra«, erklärt sie. »Der Geruch ist ziemlich stechend.«
    Ich erzähle ihr von dem Westwind.
    »Nein, nein«, sagt sie. »Er ist so kräftig, als ob du das Hepra wärst.«
    Ich kratze mir das Handgelenk und sie tut es mir nach. Zum Glück.
    Das Stück endet, sie macht einen Knicks, und ich verbeuge mich. Die nächste Frau in der Schlange kommt bereits auf mich zu. Mit einer raschen Bewegung geht plötzlich eine andere Person

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