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Die Jaeger der Nacht

Die Jaeger der Nacht

Titel: Die Jaeger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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vielleicht einmal im Jahr gesagt. Ich fand es immer merkwürdig.« Ich starre auf meine Füße.
    »Wann sind deine … du weißt schon?«
    »Meine Eltern?«
    Sie nickt kaum merklich.
    Ich blicke zu den Bergen im Osten. »Meine Mutter und meine Schwester schon vor Jahren. Ich kann mich kaum an sie erinnern. Sie sind eines Tages einfach verschwunden. Und dann mein Vater, vor etwa sieben Jahren. Er ist gebissen worden.«
    Danach verfallen wir in Schweigen, verbindend und tröstend. Aus dem Festsaal dringt gedämpfte Musik wie aus tausend Meilen Entfernung. Irgendwann schweifen unsere Blicke zu der still im Dunkeln funkelnden Kuppel.
    »Ahnungslosigkeit ist ein Segen«, flüstert Ashley June. »Heute Nacht schlafen sie in seliger Unwissenheit dessen, was sie morgen erwartet. Das Ende ihres Lebens. Die armen Dinger.«
    »Es gibt da etwas, das du wissen solltest«, sage ich nach einer Weile.
    »Worüber?«
    »Die Hepra.«
    »Was denn?«
    Ich zögere. »Als ich am Teich Wasser geholt habe, bin ich nicht nur einfach rein und wieder raus. Ich habe mit ihnen kommuniziert, Zeit dort verbracht. Und weißt du was? Sie sprechen. Sie können sogar lesen. Es sind nicht die Wilden, für die ich sie gehalten habe, nicht mal annähernd.«
    »Sie sprechen? Und lesen?« Sie blickt ungläubig zur Kuppel. Darunter rührt sich nichts.
    »Sogar sehr gerne. In ihren Lehmhütten haben sie Regale voller Bücher. Und sie sind kreativ: Sie malen und zeichnen.«
    Sie schüttelt den Kopf. »Das verstehe ich nicht. Ich dachte, sie wären wie Stallvieh aufgezogen worden. Warum wurden sie gezähmt und dressiert?«
    »Ich weiß, das ist schwer zu begreifen, aber es ist nicht mal so, dass sie wie Zirkustiere gezähmt und dressiert worden wären. Es geht weit darüber hinaus. Sie sind sozusagen normal. Sie denken, sie sind rational, sie machen Witze. Wie du und ich.«
    Sie runzelt die Stirn. Sie schweigt und denkt offensichtlich über irgendwas nach. »Du hast ihnen also nichts von der Jagd erzählt«, stellt sie nüchtern fest.
    »Sie haben keine Ahnung«, antworte ich. »Manchmal ist Ahnungslosigkeit wirklich ein Segen.«
    »Was hast du ihnen über dich erzählt?«
    »Dass ich der Ersatz für den Forscher bin.« Ich zögere. »Es wäre … unangenehm gewesen, ihnen zu erklären, dass ich ein Hepra-Jäger bin. Vielleicht hätte ich etwas sagen sollen. Vielleicht hätte ich ihnen von der Jagd erzählen sollen …«
    »Nein, du hast richtig gehandelt«, sagt sie. »Was hätte es ihnen genützt? Sie wären trotzdem so gut wie tot.«
    In den nächsten paar Sekunden schießen mir mindestens eine Million Gedanken durch den Kopf. »Meinst du, wir sollten etwas tun?«
    Sie sieht mich an. »Sehr witzig.«
    »Nein, ich meine es ernst. Sollten wir, anstatt unseren Plan durchzuziehen, nicht irgendwas tun?«
    Sie weitet kaum merklich die Augen und schlägt dann den Blick nieder. »Was meinst du?«, fragt sie.
    »Sollten wir nicht …«
    »Was?«
    »Irgendwas unternehmen, um ihnen zu helfen?«
    »Sei nicht albern.«
    »Das bin ich auch gar nicht. Sie sind wir. Wir sind sie.«
    Ein Ausdruck tiefer Überraschung nistet sich in ihren Augen ein. »Nein, sind sie nicht. Sie sind vollkommen anders als wir. Es ist mir egal, ob sie sprechen können, sie sind trotzdem nichts anderes als besseres Vieh.« Sie fasst meine Hand. »Ich möchte nicht kaltherzig erscheinen, Gene. Aber wir können nichts für sie tun. Sie werden bei der Jagd sterben, ob wir sie zu unserem Vorteil benutzen oder nicht.«
    »Wir könnten … ich weiß nicht, wir könnten ihnen sagen, dass sie die Kuppel nicht verlassen sollen. Dass der Brief, der sie über die technische Störung informiert, ein Schwindel ist.« Ich raufe mir die Haare. »Das ist wirklich schwer, Ashley June.«
    Als sie wieder spricht, ist ihre Stimme sanft. »Wenn sie, wie wir es geplant haben, morgen sterben, gibt uns das zumindest die Chance auf ein echtes Leben. Aber wenn wir bloß Däumchen drehen, ist ihr Tod nicht nur sinnlos, sondern wird garantiert auch unseren Tod nach sich ziehen. Wir können ihrem Tod einen Sinn geben und uns die Chance auf ein richtiges Leben eröffnen, Gene.« Sie hat die Augen flehend aufgerissen. »Unser neues Leben, Gene. Unser gemeinsames Leben. Ist das so schlimm, etwas Gutes aus all dem zu machen?«
    Ich sage nichts.
    Tränen schießen ihr in die Augen und womöglich zum ersten Mal in ihrem Leben hält sie sie nicht zurück. Sie kullern über ihre Wangen. Ich will sie mit meinem Ärmel

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