Die Jäger des Lichts (German Edition)
hättet den Ursprung.«
»Wer hat das gesagt?«, fragt Epap. »Wer ist Krugman?«
Sie bombardieren das Mädchen weiter mit Fragen. Nur ich nicht. Mir schlägt das Herz bis zum Hals. Ich nehme das Skizzenbuch vom Bett, blättere bis zum Porträt meines Vaters und halte es dem Mädchen unter die Nase.
»Ist er das?«, rufe ich. Alle verstummen und sehen mich an. »Ist das Krugman?«
Das Mädchen blickt auf die Zeichnung. Ihre Augen weiten sich, als würde sie das Gesicht wiedererkennen. Dann sagt sie nur: »Nein, das ist er nicht.«
Meine Hoffnung sinkt.
»Der Mann, der dir von uns erzählt hat«, fragt Sissy, »dieser Krugman. Wohnt der hier in der Nähe?«
Sie schüttelt den Kopf. »Er lebt weit entfernt.«
»Dann bring uns zu ihm«, sage ich.
»Zeigt mir erst den Ursprung.« Obwohl ihre Stimme leise und luftig ist, klingt eine hartnäckige Sturheit durch. »Dann bringe ich euch zu ihm.«
»Bring uns erst zu ihm«, sage ich, »dann zeigen wir es euch.« Ben sieht mich fragend an.
Sie zögert. »Okay«, erwidert sie schließlich und sieht mich misstrauisch an. »Bei Sonnenaufgang brechen wir auf.«
» Nichtso, nimmer «, sage ich. »Wir brechen sofort auf.«
Grübelnd studiert Clair mein Gesicht. Ihre Augen sind wach, aber gleichzeitig rätselhaft und unergründbar, auch wenn für einen Moment so etwas wie Wiedererkennen darin aufzuleuchten scheint. »Okay. Holt eure Sachen. Es ist weit weg.«
Wir folgen ihr, den Kopf voller Fragen, müssen uns jedoch so anstrengen, um mit ihr Schritt zu halten, dass eine Unterhaltung fast unmöglich ist. Schon bald erkenne ich, warum sie bis zum Sonnenaufgang warten wollte. Der Marsch ist viel länger, als ich erwartet habe. Im Dunkeln wandern wir an einem gurgelnden Bach entlang und steigen dann einen Hang hinauf, bis wir die Baumgrenze hinter uns gelassen haben und eine scheinbar endlose karge Granitfläche erreichen. Stundenlang laufen wir über wellige Kuppen, die im Mondlicht glänzen wie eine Schar von Kahlköpfen. Die Aussicht ist prachtvoll, Wasserfälle stürzen aus glatten Felswänden in die Tiefe, und üppige Nadelwälder polstern die Sohle des Tals, doch ich bin zu erschöpft, um die Schönheiten der Natur zu genießen. Und zu krank. Mir ist schwindelig, und meine Stirn glüht fiebrig, während mein Körper von kalten Windböen durchgeschüttelt wird. Die Höhe hilft auch nicht weiter, sondern macht mich benommen und kurzatmig.
Irgendwann endet der Pfad vor einer steilen Felswand. Im Granit sind zwei Stahlseile befestigt, verbunden durch Sprossen, an denen wir uns nach oben hangeln. Auf halberHöhe machen wir eine Pause, um zu Atem zu kommen. Aus schwindelerregender Perspektive sehe ich den Nede-Fluss, auf dem wir hergekommen sind: weit unter uns, unfassbar klein und unbedeutend, glänzend wie ein silbernes Band. Wir klettern weiter und erreichen vollkommen erschöpft die Spitze. Nur Clair scheint unbeeindruckt; während wir zu Atem kommen, steht sie ungeduldig daneben, kickt gegen lose Steine und lässt ihren Blick über unsere Rucksäcke schweifen, garantiert auf der Suche nach dem Ursprung, was immer das sein mag.
Als schon der Morgen dämmert und unsere Knie von dem langen Abstieg weich sind, biegt Clair plötzlich links in einen schmalen Gang zwischen zwei Felsen ein. Als wir auf der anderen Seite herauskommen, ist es, als hätten wir einen vollkommen anderen Planeten betreten.
Kein scharfer Wind schlägt uns entgegen, stattdessen begrüßt uns die Stille eines Rotholzwaldes. Dankbar folgen wir Clair in den Schutz der stolzen braunen Bäume, unter unseren Füßen weiches grünes Gras, mit Chrysanthemen gesprenkelt. Wir hören ein sanftes Plätschern, das langsam anschwillt; als wir einen sprudelnden Bergbach erreichen, ermahnt Sissy uns zu trinken. Das Wasser ist kristallklar und erstaunlich süß. Nachdem wir unseren Durst gestillt haben, drängen wir mit neuer Energie spürbar schneller weiter.
»Wir sind fast da«, sagt Clair.
Die Sonne bricht durch die Bäume. Weitere Umrisse tretenhervor, in warme Farben getaucht. Unsichtbare Vögel zwitschern in den hohen Baumkronen über uns. Clair nimmt eine Abzweigung, formt mit den Händen einen Trichter vor dem Mund und stößt ein Jodeln aus, wie wir es noch nie gehört haben. Ben kann gar nicht aufhören, sie anzustarren.
»Eine Vorabmeldung an die Mission«, sagt Clair, »damit sie wissen, dass ich euch gefunden habe.«
»›Die Mission‹?«, frage ich.
Sie antwortet nicht. Wir laufen noch zehn,
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