Die Jäger des Lichts (German Edition)
herrlichen Essensdüften, wie ich ihn noch nie gerochen habe, weht uns in die Nase. Unsere Mägen knurren.
»Das muss es sein!«, ruft Ben. »Das muss es einfach sein. Das Land von Milch und Honig, Obst und Sonnenschein.« Er zupft an Sissys Ärmel. »Das ist es doch, oder? Das Gelobte Land, in das uns der Forscher führen wollte?«
Sissy sagt nichts, doch ihre Augen schimmern feucht.
Schließlich nickt sie kaum merklich. »Vielleicht. Wir müssen uns trotzdem noch …«
Aber mehr brauchen David und Jacob nicht zu hören. Sie fassen unsere Hände und ziehen uns über die Brücke.
Die Menge teilt sich, um uns durchzulassen, aber nur ein paar Fußbreit. Als wir hindurchgehen, strecken die Dörfler eifrig die Hände aus, um uns auf den Rücken und die Schulter zu klopfen. Ihre Köpfe wippen vor Begeisterung, ihre Zähne strahlen in geweißtem Glanz. Wohin wir auch blicken, sehen wir einladende Blicke und zustimmendes Nicken. Irgendwann zieht Ben auch mich am Ärmel. Er strahlt übers ganze Gesicht, und Tränen kullern über seine Wangen. Er sagt etwas, doch bei dem Geschrei um uns herum verstehe ich ihn nicht. Ich beuge mich zu ihm hinunter und höre einen Satz – »Land von Milch und Honig, Obst und Sonnenschein, wir müssen« –, bevor seine Worte vom Lärm verschluckt werden.
Und ich glaube, er hat Recht. Als die Sonne höher steigt, wärmer wird und ihr Licht über den Berg, das Dorf und die Scharen lächelnder Menschen breitet, als bekräftigendes Lachen so laut in meinen Ohren widerhallt, dass meine Knochen vibrieren, und Sissy mir ein Lächeln schenkt, so rein wie der blauste Himmel, verspüre ich eine nie gekannte Empfindung.
Es fühlt sich an wie Nach-Hause-Kommen.
15
Krugman führt uns auf dem mit Ziegelsteinen und Platten gepflasterten Hauptpfad durch das Dorf und gibt eifrig den Fremdenführer. Immer wieder nimmt er sich die Zeit, uns die Namen von neuen Anblicken und Klängen zu nennen. Von Nahem wird deutlich, dass die Hütten solide gebaut sind, mit einem Steinfundament und einer Holzverkleidung in den oberen Stockwerken. Kleine Keramikvasen mit Wildblumen schmücken die Fensterbänke, eine bunte Mischung aus Lilien, Lupinen, Geranien, Ringelblumen und Reseden. Alles ist ordentlich, sauber, hell und gefällig. Gesichter – praktisch ausschließlich junge Mädchen – spähen aus Sprossenfenstern. Weitere Mädchen folgen uns, einige der älteren starren mich an und tuscheln miteinander.
Epaps Kopf wippt seit unserer Ankunft hektisch hin und her. Er hat noch nie ein anderes Mädchen gesehen als Sissy, und dieser Ansturm von weiblichen Wesen überfordert seine Sinne. Er gafft sie mit aufgerissenen Augen an, ein nervöses Grinsen zerrt an seinen Mundwinkeln.
Krugman zeigt uns die Gebäude: Lagerhäuser, die Klinik, das Tischlerhaus, die Entbindungsstation, die Kleidungshütte, alle ein wenig größer als die Wohnhäuser. Am Ende des Dorfes hört die Besiedlung abrupt auf, der gepflasterte Pfad geht in natürlichen Lehm- und Ackerboden über. Der Geruch von Blut, Fleisch und Tierdung hängt in der Luft. Auf einer Brachfläche stehen mehrere kleine Hütten; die Schlachtschuppen, erklärt Krugman, ohne hinzusehen. Wir passieren weitere Äcker, auf denen ordentliche Reihen von Pflanzen wachsen, Mais, Kartoffeln und Kohlköpfe, wie Krugman erläutert, und Gruppen von Apfel-, Birnen- und Pflaumenbäumen. Zwischen den Reihen bewegen sich kleine Gestalten wie Ameisen.
Als Krugman kehrtmacht und uns durch Reihen von Brombeerbüschen und ein Roggenfeld führt, taucht unvermittelt ein Gletschersee in unserem Blickfeld auf. Das Wasser ist kristallklar; mehrfarbige Steine schimmern im flachen Wasser am Ufer. Eine von den Bergen wehende Böe kräuselt die glatte Oberfläche, und das auf dem Kopf stehende Spiegelbild von Bergen, Wolken und Himmel verschwimmt. An einem kleinen Steg aus Treibholz sind mehrere kleine Boote festgemacht. Mittlerweile knurren unsere Mägen lauter denn je. Krugman muss lächeln. Über eine Reihe üppiger Weiden führt er uns zurück zum Dorfplatz.
Wir werden in einen großen Speisesaal geleitet, in dem Reihen leerer Tische und Bänke stehen. Junge Mädchen tragen Platten mit Speisen aus der Küche und werfen uns verstohlene Blicke zu, während sie flüsternd den Namen jedes Gerichts nennen. Wir schlingen das Essen hinunter. Auch wenn ich die ganze Zeit heftig husten muss, kann ich mich nicht zurückhalten. Meine Augen tränen, meine Nase läuft und tropft in die Speisen, und
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