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Die Jäger des Lichts (German Edition)

Die Jäger des Lichts (German Edition)

Titel: Die Jäger des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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bemerkt?«
    Sie schüttelt frustriert den Kopf. »Die Jungen – inklusive, nein, insbesondere Epap – waren zu nichts zu gebrauchen. Zu gar nichts . Sie sind zu überwältigt von allem hier, die merken gar nichts.« Sie knirscht mit den Zähnen. »Und als ich Epap darauf angesprochen habe, hat er mir vorgeworfen, ich wäre paranoid.«
    Ich nicke, als mir wieder einfällt, dass sie das schon einmal erwähnt hat. »Das glaube ich einfach nicht. Du und paranoid. Du bist der vernünftigste Mensch, den ich kenne.«
    Sie lacht, und ich kann förmlich hören, wie sich ihr innerer Knoten löst. »O Gene«, sagt sie, »manchmal habe ich sogar an mir selbst gezweifelt. Ich habe ehrlich lange darüber nachgedacht, ob das alles wirklich sonderbar ist oder einfach normal und ich nur nicht daran gewöhnt bin. Ich meine, ich habe mein ganzes Leben unter der Glaskuppel verbracht, was weiß ich schon von der wirklichen Welt?« Sie schüttelt den Kopf und trommelt mit beiden Fäusten gegen meine Brust. »Werd nie wieder krank! Lass mich nie wieder so allein!«
    Der Wind säuselt in den Ästen. Ein Tropfen Wasser fällt von einem Blatt, landet auf Sissys Stirn und läuft an ihrem Kiefer hinunter. Ich wische ihn ab und streiche mit den Fingern über ihre weiche Haut.
    Sie boxt immer noch gegen meine Brust, aber nicht mehr so schnell, sondern abwesender, bis ihre Hand zwischenuns in der Luft stehen bleibt. Ich blicke in ihre Augen. Einst waren sie nur braun, doch nun schillern sie in den Farben des Waldes um uns herum, der Farbe von Kastanien, Obstbäumen und Zypressen.
    Ich lasse meine Hand sinken und lege sie sanft um ihre Faust. Sie öffnet den Mund, um etwas sagen.
    Doch dann wende ich den Blick ab und lasse ihre Hand los.
    Nach einer Weile lässt auch sie den Arm sinken. Reglos und stumm stehen wir da.
    »Du hast gesagt, ich hätte keinen Schimmer«, setze ich schließlich neu an.
    »Was?«
    »Über dieses Dorf. Was hast du sonst noch gesehen?«
    Sie blickt sich um. »Ach ja.« Sie lacht, nicht belustigt, sondern als würde sie sich räuspern oder das Thema wechseln. »Komm hier entlang. Neulich nachts bin ich auf etwas wirklich Seltsames gestoßen. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«
    Sie führt mich zwischen den Bäumen hindurch. Immer wieder müssen wir uns bücken, um tief hängenden Ästen auszuweichen, bis wir zuletzt unvermittelt an eine Lichtung kommen. Vor uns liegt eine steile Böschung, die den Wald sauber durchtrennt.
    »Da oben«, sagt sie, und wir klettern auf den Damm, wobei wir Kiesel und kleine Steine lostreten. Oben verlaufen im Abstand von etwa einer halben Körperlänge zwei scheinbar endlose Metallschienen parallel nebeneinander; zwischen ihnen liegen Holzbalken wie Sprossen einer Leiter.
    Etwas noch Kälteres als Eis gefriert in mir.
    Ich bücke mich und berühre eine der Schienen. Kälte sticht auf meiner Haut, als mein Blick bis zu dem Punkt wandert, wo sich die Schienen in der Dunkelheit verlieren.
    »Weißt du, was das ist?«, fragt Sissy. »Ist das die Bahn für irgendeinen seltsamen Sport?«
    Ich richte mich wieder auf und blicke, so weit ich kann, in die andere Richtung. Eine dämmernde Furcht lässt meinen Nacken steif werden. »Das sind sogenannte ›Eisenbahngleise‹. Ich habe als Kind darüber gelesen. In Märchen- und Bilderbüchern.«
    » Eisenbahngleise ?« Sie starrt auf die Schienen. »Was ist eine Eisenbahn ?«
    »Etwas sehr Großes«, sage ich leise. »Eine Lokomotive, mit der man gewaltige, unvorstellbare Entfernungen zurücklegt, Hunderte von Meilen. Auf diesen Metallstreben, mit unfassbarer Geschwindigkeit.«
    »Hunderte von Meilen?« Sissy macht einen Schritt auf mich zu und wird blass. »Was hat denn ein Eisenbahngleis hier zu suchen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Sie blickt zu den Hütten der Mission in der Ferne.
    »Gene«, flüstert sie mit aufgerissenen Augen. »Was ist das für ein Ort? Wo sind wir hier?«

20
    Obwohl ich fast die ganze Nacht auf war, wache ich beim ersten Morgengrauen auf. Ich bin in meinem eigenen Zimmer, aber nicht in meinem Bett. Darin schlummert Sissy, ihr friedlich wirkendes Gesicht ruht auf dem Kissen. Doch ihr Körper wirkt sogar im Schlaf noch angespannt, als ob die Erinnerung an die vergangenen Stunden – und für sie wahrscheinlich an die vergangenen Tage  – bis in ihr Unterbewusstsein gedrungen wäre.
    Sie wolle bei mir bleiben, hat sie mir gestern Nacht an den Gleisen erklärt. Ich fragte, ob wir deswegen vielleicht Ärger bekommen

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