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Die Jäger des Lichts (German Edition)

Die Jäger des Lichts (German Edition)

Titel: Die Jäger des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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würden. Würde ihre Abwesenheit auf der Farm nicht bemerkt werden, war das nicht gegen die Statuten …
    »Scheiß auf die Statuten«, erwiderte sie. Und ehrlich gesagt wollte ich auch nicht allein sein. Bis ich in meiner Hütte ein Feuer geschürt hatte – wir waren beide bis auf die Knochen durchgefroren –, war sie schon eingeschlafen. So schnell, als sei es das erste Mal seit Tagen.
    Ich will sie nicht wecken, deshalb sitze ich still auf demSofa und starre in die letzte Glut im Kamin. Das Fenster zu meiner Linken geht nach Osten, und auf dem Vorhang zeichnet sich ein dunkelorangefarbener Rand ab. Mein Kopf und mein Körper fühlen sich kein bisschen träge an, sondern so, als seien sie noch immer auf Adrenalin. Kaum eine Minute später ziehe ich meine Jacke über und trete vor die Tür.
    Die langsam wärmer werdende Sonne gießt ihr Licht über die noch leeren Straßen. Hinter dem Dorf erhebt sich der inzwischen fast schneefreie Berggipfel. Nur die oberste Spitze ist noch weiß. Ich sauge die saubere Luft ein.
    Der Weg beschreibt einen hufeisenförmigen Bogen um das Dorf, ohne den Kreis ganz zu schließen. An seinem Ende fällt meine Aufmerksamkeit auf einen plätschernden Bach. Ein gut ausgetretener Pfad führt zu einem großen Holzplateau am Ufer, über dem Wäscheleinen gespannt sind. Waschbretter und Eimer sind ordentlich unter einer Sitzbank gestapelt. Ich könnte einen Schluck Wasser vertragen, also gehe ich hinunter.
    Das Wasser ist klar und kalt. Nachdem ich meinen Durst gestillt habe, spritzte ich mir Wasser ins Gesicht und über die Haare. Kalte Tropfen kullern kribbelnd und belebend meinen Rücken hinunter. Ich spüre, wie meine Gedanken sich kristallisieren und meine Aufmerksamkeit schärfer wird.
    Am anderen Ufer steht jemand und beobachtet mich.
    »Hey, Clair«, sage ich überrascht. »Clair wie fair.«
    Sie antwortet nicht, sondern starrt mich nur weiter an.»Du solltest nicht hier draußen sein«, sagt sie schließlich. Ihre Stimme schneidet scharf durch die stille Luft. »Es ist gegen die Statuten.«
    »Du auch nicht«, erwidere ich. »Komm rüber«, dränge ich und winke sie zu mir.
    Sie zögert kurz, bevor sie von Stein zu Stein über den Bach hüpft, fast ohne ihre Schuhe nass zu machen.
    »Hey«, sage ich, als mir etwas klar wird, »wie hast du das gemacht?«
    Sie sieht mich verwirrt an. »Ich bin über die Steine im Wasser gelaufen. Du hast doch selbst gesehen …«
    »Nein. Ich meine, du bist nicht wie die anderen Mädchen. Du humpelst und watschelst nicht. Du bist … normal.«
    »Du meinst hässlich.«
    »Was?«
    »Ich habe hässliche Füße. Sag es ruhig.«
    Ich starre auf ihre Schuhe. »Ich verstehe nicht, wie …«
    »Ja, ja, ich weiß. Sie sind riesig. Männerfüße. Schon kapiert. Sie sind noch nicht zu Lotusfüßen verschönert worden. Du brauchst gar nicht so zu glotzen.« Sie zieht angewidert die Mundwinkel nach unten. »Aber meine Zeit wird kommen. Ich sollte die Prozedur schon letztes Jahr machen. Aber dann wurde ich zugeteilt.«
    »Wem oder was wurdest du zugeteilt? Wovon redest du?«
    »Ich bin eine Holzsammlerin. Ich muss Männerfüße haben, damit ich den Wald durchkämmen und Holz sammeln kann. Das ist mein Auftrag.«
    »Deswegen warst du so weit vom Dorf entfernt. Oben in der Hütte.«
    Sie reißt alarmiert die Augen auf und sieht sich rasch um. »Warum posaunst du es nicht gleich in der ganzen Welt herum?« Sie macht einen Schritt auf mich zu. »Bitte sag es niemandem, okay? Ich soll mich nicht so weit vom Dorf entfernen. Jedenfalls jetzt nicht mehr.«
    »In diese Holzhütte hatte sich doch der Forscher – der Ältere Joseph – zurückgezogen, oder? Dort hat er gelebt?«
    Sie schlägt die Augen nieder und nickt.
    »Warum dort? So weit entfernt von der Mission?«
    »Ich muss jetzt gehen.«
    »Nein, bitte. Du bist so ungefähr der einzige Mensch hier, mit dem ich reden kann. Sag mir, was ist mit dem Forscher geschehen?«
    Sie kneift argwöhnisch die Augen zusammen. »Er ist gestorben. Selbstmord durch Erhängen.« Sie mustert mich sorgfältig. »Hat man dir das nicht erzählt?«
    »Es war kein Selbstmord, oder?«
    Ihre Miene verfinstert sich, ihre Augen treten tief in ihre Höhlen zurück. »Ich muss jetzt gehen«, sagt sie. »Wir verstoßen gegen Statute Nummer eins. ›Bleibt in Gruppen von dreien oder mehr zusammen.‹ Alleinsein ist nicht erlau…«
    »Ich weiß, was die Statuten sagen, aber vergiss sie für eine Sekunde, ja?« Ich mache einen Schritt auf

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