Die Jäger des Roten Mondes
Schatten tauchten auf, und von irgendwoher kam ein stürmischer Wind auf.
Die fünf Gefangenen standen dicht beieinander, Dane, zwischen Dallith und Rianna, wußte, daß beide sich an ihn klammerten in der gespenstischen Dunkelheit, als der Mond langsam zum Halbmond, zu einer schmalen Sichel, zu einem bleichen roten Schimmer an einer Seite schwand. Und dann war es zum ersten Mal auf dieser Welt völlig dunkel. Hinter dem großen Fleck am Himmel tauchten blasse Sterne auf.
»Die Jagd ist vorbei«, flüsterte Dallith. »Mit der Mondfinsternis ist die Jagd vorbei.«
In der Dunkelheit murmelte Cliffs raue Stimme: »Es gibt dort tote Jäger und totes Wild. Und bald ist die Reihe an uns.«
»Aber wann?« fragte Rianna in der Dunkelheit. Niemand antwortete ihr. Sie standen stundenlang so da und beobachteten, wie der Mond langsam aus der Dunkelheit auftauchte und die Sterne wieder vor dem Hintergrund des karmesinroten Lichts verblaßten. Schließlich, als er wieder von seiner gewohnten Position aus herabschien, gingen sie still in ihr Quartier, aber keiner von ihnen aß viel, und Dane zumindest schlief wenig.
Waren sie als nächste an der Reihe?
Am nächsten Morgen, als Diener ihr Frühstück brachte, sagte er zu ihnen: »Die letzte Nacht war die Nacht der Mondfinsternis; letzte Nacht endete die Jagd. Heute wird das Heilige Wild, das die Jagd überlebt hat – sofern es welches gibt – belohnt und freigelassen. Und ihr seid zu der Feier eingeladen.«
Keiner von ihnen hatte danach viel Appetit auf das Frühstück. Als die Sonne höher am Himmel stand – eine merkwürdig helle Sonne, der Rote Mond dagegen unsichtbar, weit weg auf der anderen Seite des Planeten – gingen sie kurz zu der Waffenkammer und zu den Bädern. Keiner von ihnen trainierte aber viel.
Irgendwann sagte Dane: »Manchmal stelle ich mir eine Frage. Die Überlebenden der Jagd – wir werden sehen, wie sie gefeiert und belohnt und angeblich freigelassen werden. Aber ich frage mich, ob sie wirklich freigelassen werden oder ob die Feiern und Belohnungen nur zu unserer moralischen Aufrüstung stattfinden. Vielleicht werden die Gefeierten hinterher unauffällig aus dem Weg geräumt.«
»Das ist ja etwas Nettes, was du da zur Sprache bringst«, sagte Rianna mit Abscheu. »Was hast du mit uns vor, Dane?«
Aratak sagte düster: »Die Möglichkeit ist mir auch schon in den Sinn gekommen.«
Cliff wandte sich von seinem Schattentanz vor dem Spiegel ab. Er sagte: »Nein, sie werden freigelassen, das ist wirklich wahr. Es gibt einen Mann auf meiner Welt – er ist ein entfernter Verwandter meiner Sippe –, der von der Welt der Jäger reich und erfolgreich zurückkehrte. Er gründete ein Waffenmuseum mit dem Geld, das er gewonnen hatte. Ich habe das Museum gesehen, obwohl der Mann starb, als ich noch jung war.«
»Aber erzählte er nichts über die Jäger? Hinterließ er kein Wort über sie?« fragte Rianna ungläubig. »Wissenschaftler haben jahrhundertelang nach verläßlichem Wissen über die Jäger gesucht; die meisten Leute halten sie für eine Legende! Er hätte einen Bericht über seine Erfahrungen niederschreiben sollen!«
Cliff entgegnete gleichgültig: »Warum? Warum sollte das irgend jemanden interessieren?«
Rianna schaute ihn aufgebracht an, aber Dane nickte. Er gewöhnte sich langsam an Cliffs Mangel an dem, was die meisten Leute wissenschaftliche Neugier nennen würden. Er sagte zu Rianna: »In einem alten Sprichwort meiner Welt heißt es: Die Neugier tötet die Katze. Cliffs Leute scheinen sich das zu Herzen genommen zu haben. Wir müssen uns damit abfinden: Wissenschaftliche Forschung ist ein protosimianisches Charakteristikum – oder wenigstens die Neugier um ihrer selbst willen. Selbst gewöhnliche Katzen zeigen selten viel Neugier für irgend etwas, außer sie können es essen, damit spielen, oder sie halten es für eine Gefahr.«
Dallith sagte friedfertig: »Die Hauptsache ist, daß die Überlebenden freigelassen werden.« Sie suchte sich eine Sammlung kleiner, runder, völlig glatter Steine für ihre Schleuder aus und verstaute sie in einem Beutel an ihrer Taille. Sie überprüften alle ihre Waffen, denn sie wußten, daß die Stunde nahe war. Rianna hatte das eine Messer so geschärft, daß es eine scharfe Schnittfläche hatte, das andere zum Stechen mit einer Spitze versehen, Dane hob einen langen Speer von der Wand und gab ihn ihr. Er sagte: »Nimm das. Es ist nicht so sicher, daß du ihn benutzen mußt, aber wir brauchen
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