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Die Jägerin (Die Anfänge) (German Edition)

Die Jägerin (Die Anfänge) (German Edition)

Titel: Die Jägerin (Die Anfänge) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadja Losbohm
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wenn ich sie anblickte, hatte ich das Gefühl, dass ihre Augen mich verfolgten. Wer hätte gedacht, dass ihr gütiges Antlitz dazu diente, ein Geheimnis zu bewahren?
    Pater Michael fasste hinter den Teppich. Der Stoff bewegte sich plötzlich und wurde von einer unsichtbaren Kraft nach oben gezogen. Verblüfft folgte ich seinem Weg zur Decke. Als ich meinen Blick wieder senkte, stockte mir der Atem.
    Dort, wo ich eine feste Steinmauer vermutet hatte, war eine gläserne Tür!
    Helles Tageslicht fiel in den Raum und blendete mich. Für andere Menschen war es eine gewöhnliche Helligkeit, aber meine Augen waren schon so lange nur an das künstliche Licht gewöhnt, dass sie Mühe hatten, sich dem Tageslicht anzupassen. Ungläubig lief ich um den Schreibtisch herum und starrte durch die Glasscheibe. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf, als ich das Grün dahinter erblickte, denn hinter der Kirche lag ein kleiner Garten. Eigentlich konnte man es nicht wirklich als Garten bezeichnen. Dazu hätte er gepflegt sein müssen.
    Ich öffnete die Tür und trat auf eine Steintreppe. Langsam lief ich sie hinunter und blieb an ihrem Fuß stehen. Staunend ließ ich meine Blicke umherwandern. In jeder Ecke wucherte das Unkraut und hatte schon die Steinplatten erobert, die hier und da hervorlugten und erahnen ließen, wo einmal ein sicherer Pfad entlang geführt hatte. Das Gras reichte mir bis zum Oberschenkel. Wilde Blumen leuchteten farbenfroh in dem Grün auf, deren Samen durch den Wind ihren Weg in diese grüne Hölle gefunden hatten. Ich entdeckte Gänseblümchen, Löwenzahn, blaue Kornblumen und roten Mohn. Vier große und erhabene Kastanienbäume ragten in den Himmel. Ihre Stämme waren von Efeu bewachsen, der sich an ihnen empor schlängelte. Und im Schatten der meterhohen Ziegelmauern, die Schutz vor ungeliebten Blicken boten, standen Kugeleschen, Trichterfarn und ein Strauch dunkelvioletter Flieder. Die langen Arme des Lampenputzergrases und Ährengrases wogen sich sacht im Wind. Der Duft von einem Strauch weißen Gartenjasmins wehte mir entgegen. Und aus dem Augenwinkel sah ich zu meiner rechten Seite die rosafarbenen Blüten einer Rosmarinheide. Ich fühlte mich ins „Dschungelbuch“ versetzt. Es fehlte eigentlich nur noch die Schlange Kaa, die von einem Ast herunterbaumelte und mich mit ihren gelben Augen hypnotisierte.
    „Wieso haben Sie mir nicht schon früher davon erzählt?“, fuhr ich Pater Michael an, der auf der Treppe stehengeblieben war.
    Er zuckte mit den Schultern. „Sie haben nicht gefragt,“ antwortete er mir gleichgültig.
    Oh man, ey! Männer!
    „In meinen zahlreichen Jahren hatte ich es nur mit zwei weiteren Jägerinnen zu tun gehabt, und das ist auch schon sehr, sehr lange her. Ihre Vorgänger waren allesamt Männer. Keiner von denen hat sich je über zu wenig frische Luft beschwert, Miss Ada.“
    Das sollte wohl bedeuten, dass ich eine Mimose war?
    Ich hätte ihm am liebsten den Hals umgedreht und ihm sämtliche gottlose Schimpfwörter an den Kopf geworfen. Stattdessen presste ich die Kiefer zusammen und ballte die Hände zu Fäusten, um meiner Wut Einhalt zu gebieten.

13. Mangelndes Bewegungstalent
     
     
     
    Der Garten war eine wundervolle Abwechslung für mich. Ein Kontrastprogramm zu dem ganzen Wahnsinn, der sonst um mich herum herrschte. Er war wie eine eigene kleine Welt. Das Herrichten dauerte eine Weile. Und wenn ich in der Erde buddelte und das Unkraut herausriss, hörte ich meistens über Kopfhörer Musik von meinem MP3-Player. Das gute Stück war meine Rettung in so mancher Stunde gewesen. Aber obwohl darauf sämtliche Lieblingssongs von mir waren, hatte ich mir das Repertoire irgendwann übergehört. Meine Ohren bluteten schon regelrecht davon. Ich hätte mich ja mit dem Pater unterhalten können, wenn ich gewusst hätte, worüber. Aber als ich in das Büro des Paters blickte, sah es von dort aus, als wäre er beschäftigt und nicht an einer Konversation interessiert. Mir war es aber entschieden zu leise, und ich wusste, dass in einem Regal ein Kofferradio stand.
     
    Ich wischte mir die Hände so gut es ging an meiner Gartenhose ab und lief zu ihm ins Zimmer. „Stört es Sie, wenn ich das Radio anmache, Pater?“, fragte ich ihn.
    Der Pater schüttelte seinen dunklen Haarschopf, der über einem Bericht, den er gerade las, hing und sich dazu Notizen machte. „Nein, es stört mich nicht. Machen Sie ruhig,“ meinte er, ohne mich weiter zu beachten.
    Erfreut über seine Erlaubnis lief

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