Die Jägerin (Die Anfänge) (German Edition)
er bald zu Ende,“ äffte ich seinen Tonfall nach.
Finster sah er mich an. „Sie nerven, Miss Ada!“, warf er mir an den Kopf.
Ich grinste nur. „Ich weiß.“
Damit zog ich ihn erneut mit mir mit. Ich hörte, wie er hinter mir seufzte, aber er gab sich geschlagen.
Im ersten Moment war es etwas merkwürdig, dass wir zu einem langsamen Lied tanzten. Und es war offensichtlich, dass es Pater Michael unangenehm war, mich zu berühren und auch berührt zu werden. Ich war mir seiner kühlen Hände auf mir vollkommen bewusst, und ich nahm seine Finger deutlich auf meinem Körper wahr. So wie ich die Kälte seiner Glieder selbst noch durch den Stoff meiner Kleidung spürte, musste er auch meine Wärme spüren. Während er vor Nervosität zu einem Eiszapfen wurde, wurde mir vor Verlegenheit heiß. Und die Tatsache, dass ich unter meiner Hand, die auf seiner Schulter lag, harte Muskeln spürte, half mir keineswegs dabei mich zu akklimatisieren.
Wir achteten peinlichst darauf, dass wir einen großen Sicherheitsabstand zwischen uns ließen. Es hätte eigentlich noch eine dritte Person zwischen uns Platz gehabt. Ich hatte zumindest Spaß gehabt, und auch Pater Michael schien es am Ende doch gefallen zu haben, auch wenn er es nicht laut aussprechen würde.
Die letzte Note des Songs war noch nicht ganz verklungen, da ließ er mich so schnell los, als hätte er sich verbrannt, und trat einen Schritt nach hinten. Ich überging diese scheinbar allergische Reaktion seinerseits, lächelte und sagte: „Ich danke Ihnen, Pater.“
Er nickte nur, und kurz schien es so, als wollte sich sein Mund zu einem Lächeln verziehen, entschied sich aber im letzten Moment dagegen. Stattdessen drehte er sich herum und lief schnurstracks zu seinem Schreibtisch zurück. Ich rollte mit den Augen und seufzte innerlich. Ich entschied mich dafür, dass es für heute genug Musik gegeben hatte.
Ich schaltete das Radio ab und teilte dem Pater mit, dass ich mich wieder den Beeten widmen würde. Ich wusste nicht, ob er mich gehört hatte oder gekonnt ignorierte. Er gab mir jedenfalls keine Antwort, und ich verließ das Büro. Ich arbeitete noch eine Weile still vor mich hin. Nur mein Rücken machte mir einen Strich durch die Rechnung und ließ mich zum Ende kommen. Ich gönnte mir noch ein paar letzte Momente in meiner grünen Oase und setzte mich auf den kurzgeschnittenen Rasen. Ich blickte zu den im Wind tanzenden Kastanienblättern über mir auf und beobachtete das Sonnenlicht, wie es zwischen den Blättern versuchte zu mir hindurch zu dringen. Ich hörte das Rauschen über mir und das Gezwitscher der Vögel, die irgendwo in den Wipfeln saßen. Nur unterschwellig nahm ich die Geräusche aus dem Büro wahr, wo der Pater immer noch seiner alltäglichen Kirchenarbeit nachging.
Heimlich beobachtete ich ihn. Ich starrte auf den schwarzen Stoff seiner Soutane, der sich über seinen Rücken spannte und auf den dunklen Haarschopf, der sich über die Schreibtischplatte beugte. Nachdenklich hob er den Kopf und tippte sich mit dem Stift gegen die Schläfe. Eine Windböe wehte ins Zimmer hinein und bewegte sacht sein Haar. Als ihm die passenden Worte eingefallen waren, stürzte er sich wieder nach vorn und kritzelte weiter. Dann saß er wieder still da, ohne dass er etwas schrieb, weil ihm nichts einfiel oder vielleicht auch, weil andere Dinge seine Gedanken beschäftigten. Er streckte seine Hand zu der Vase aus, die ich heute Morgen dorthin gestellt hatte. Sie war gefüllt mit bunten Blumen aus meinem Garten. Ich dachte, diese kleine Aufmerksamkeit würde ihm eine Freude bereiten. Allerdings hatte er sich bisher dazu noch nicht geäußert. Aber nun konnte ich dabei zusehen, wie er eine rote Blüte zwischen seine Finger nahm und sie aus der Vase herauszog. Er führte sie an sein Gesicht und schnupperte daran. Seine Augen schlossen sich, als er den Duft einatmete und ….was war das? Hatten sich seine Mundwinkel etwa gerade nach oben bewegt? Sollte er tatsächlich gelächelt haben?
Nach einem kurzen Moment steckte er die Blume wieder zurück in das Gefäß und versank erneut ins Grübeln. Sein rechtes Bein fing an, unruhig auf und ab zu wippen. Früher hatte es mich immer genervt das mit anzusehen, wenn jemand in der U-Bahn neben mir saß und das tat. Es machte mich selbst nervös. Aber bei Pater Michael störte es mich nicht. Ganz im Gegenteil. Ich fand, dass es ihm etwas Menschlichkeit verlieh. So oft verbarg er seine Gefühle vor mir und wirkte auf
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