Die Jägerin (Die Anfänge) (German Edition)
ich zu dem Regal hinüber. Das Radio war schon alt und sah aus, als wäre es schon lange nicht mehr in Betrieb genommen worden. Ich bezweifelte, dass sich die Knöpfe und Räder bewegen würden, aber dann knarrte und krächzte es vor sich hin. Es schien sich gegen mich zu wehren, aber ich ließ nicht locker und fand einen Sender, bei dem man halbwegs erkennen konnte, dass er Musik spielte. Ich seufzte, als ich die ersten Klänge einer Melodie hörte. Ich liebte Musik einfach. Sie war für mich eines der wichtigsten Dinge im Leben. Sie konnte mich traurig stimmen, so wie der Song „Autumn‘s Monologue“ von „From Autumn To Ashes“. Und sie konnte mich fröhlich stimmen, wie Bryan Adams‘ „Can‘t Stop This Thing We Started“. Und solch ein Moment war jetzt gerade.
Gut gelaunt fing ich an, mich im Takt zu bewegen. Ich war keine gute Tänzerin. Ich bewegte mich einfach nur so, wie ich es wollte. Als ich mich herumdrehte, sah ich, dass der Pater mich mit einer hochgezogenen Augenbraue beobachtete.
Ich lächelte und zwinkerte ihm frech zu. „Kommen Sie, Pater. Machen Sie mit,“ forderte ich ihn auf und tanzte mir meinen Weg durch das Büro.
Er gab ein verächtliches Schnauben von sich. „Nein, bestimmt nicht, Miss Ada! Außerdem habe ich zu tun, wie Sie sicherlich unschwer erkennen können,“ erwiderte er und senkte seinen Kopf wieder, um weiter zu arbeiten.
„Och, jeder braucht mal eine Pause. Sogar Sie, Pater,“ meinte ich und tanzte um den Tisch herum. Ich nahm dem Padre seinen Stift aus der Hand, woraufhin er mich grimmig ansah. Ich ignorierte ihn und zog ihn am Ärmel seiner Soutane vom Stuhl.
Sein Blick fiel auf den Stoff, auf dem ein Fleck zu sehen war, den meine schmutzige Hand hinterlassen hatte. Hastig wischte Pater Michael darüber, um den Schaden zu beheben.
„Nur ein Tänzchen, Padre,“ sagte ich und sah ihn flehentlich an.
Er ließ seinen Ärmel seufzend los und verdrehte die Augen. „Geben Sie dann auch Ruhe, Miss Ada?“, fragte er.
Ich nickte wild und hob meine braune Blumenerde-Hand, um den Zwei-Finger-Schwur zu leisten. „Ich schwöre,“ sagte ich feierlich und sah ihn ernst an.
„Also gut,“ meinte er mit einem Seufzer.
Ich hüpfte vor Freude herum.
Der Pater war etwas steif und bewegte sich ziemlich ungeschickt. Vielleicht lag es aber auch daran, dass es nicht ganz seine Musikrichtung war. Ich hatte mittlerweile gelernt, dass er mehr der Klassik-Typ war. Ich hingegen war mehr für E-Gitarren-Klänge und Schlagzeug.
Je länger ich Pater Michael beobachtete, desto mehr tat es mir leid, dass ich ihn gedrängt hatte, mitzumachen. Als der Song zu Ende war, verkrümelte er sich umgehend von unserer Tanzfläche und lief schnell in Richtung Schreibtisch, um sich in Sicherheit zu bringen.
„Moment noch, Pater,“ rief ich ihm hinterher und rannte zum Radio.
„Sie wollten mich doch nach einem Tanz damit in Ruhe lassen! Ich bin nicht Ihr Kasper, der Sie unterhält, Miss Ada!“, erwiderte er scharf und stand mit verschränkten Armen vor der Brust da. Sein Fuß wippte auf und ab. Er wirkte ziemlich ungehalten.
Ich schluckte schwer bei seinem Kommentar. Memo an mich selbst: Pater Michael hat absolut keinen Sinn für Humor! Es gibt da dieses wundervolle Sprichwort, in dem es heißt: was sich neckt, das liebt sich. Nach unseren kleinen Wortgefechten zu urteilen, hätte man denken müssen, dass wir uns beide wirklich sehr mochten.
Ich wandte mich schnell zum Radio. „Geben Sie mir noch eine Chance, Pater. Ich suche etwas, wozu auch Sie sich bewegen können,“ gab ich zurück. Was er konnte, konnte ich schon lange.
Ich sah ihn über die Schulter an und beobachtete, wie sein Mund bei meiner frechen Bemerkung auf und zu schnappte. Er wollte etwas erwidern, aber die Scham über sein mangelndes Bewegungstalent war dann doch größer, und ich konnte sehen, wie seine Wangen rot wurden.
Ich wandte mich schnell ab und drehte weiter an dem Regler. Es dauerte eine Weile, aber dann fand ich einen Oldie-Sender, der eine Schnulze spielte. Ich fand, das passte besser zum Pater. Freudig klatschte ich in die Hände und wirbelte herum. Pater Michael saß schon wieder auf seinem Schreibtischstuhl und kritzelte geschäftig auf dem Papier herum. Ich ging zu ihm und nahm ihm den Stift aus der Hand.
Er weigerte sich ihn loszulassen. „Miss Ada, ich muss das hier fertig machen, sonst sitze ich noch morgen hieran!“, jammerte er.
„Pater Michael, wir tanzen jetzt zu diesem Song, sonst ist
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