Die Jägerin (Die Anfänge) (German Edition)
so etwas. „Nein, Mister Meyers. Ich werde nichts weiter zu dieser Sache sagen,“ entgegnete ich ihm und steckte den Knopf schließlich in meine Hosentasche, damit ich ihn nicht noch vor Wut gegen die Stirn des Reporters schleuderte.
„Wie sieht es mit einer Heirat aus? Ist das eigentlich möglich?“, ignorierte er meinen Wunsch.
Entnervt seufzte ich. „Pater Michael müsste sein Amt niederlegen und aus der Kirche austreten. Doch dann dürfte er auch nicht länger in der St. Marys Kirche leben, was nicht machbar ist, da sein Leben an dieses Haus und den heiligen Boden gebunden ist. Also, nein. Wir werden niemals heiraten können,“ antwortete ich ihm ungeduldig. „Nicht, dass wir jemals über diese Option gesprochen hätten!“, dachte ich bitter. Manchmal störte es mich, dass mir dieser Abschnitt meines Lebens vorenthalten bleiben würde. Aber ich würde nie von Pater Michael verlangen, dass er das Priesteramt für mich aufgab. Er liebte diese Arbeit, in der er eher eine Berufung sah als irgendetwas anderes. Ich wusste auch, dass er mich liebte. Wie hätte ich ihn da vor die Wahl stellen können?
Ich holte tief Luft, um rasch das Thema zu wechseln, doch der Reporter kam mir mit seiner Frechheit zuvor und nutzte meine Offenheit aus. „Haben Sie beide ein gemeinsames Schlafzimmer?“
Es gab zwar kein gemeinsames Schlafzimmer, aber ich wollte ihm nicht mehr verraten. Er musste es nicht wissen. Und er musste auch nicht wissen, dass Pater Michael trotzdem manchmal abends zu mir kam. Nicht für das, was Sie jetzt denken. Das hatten wir nur einmal getan und seitdem ich schwanger war, hatte er mich nicht weiter berührt. Es gab Umarmungen und kleine unsichere Küsse auf den Kopf, wenn er zu mir kam und sich zu mir aufs Bett setzte. Aber mehr auch nicht.
Verärgert sah ich den Reporter an. Am liebsten hätte ich ihn wieder in den Regenguss nach draußen gestellt! „Hören Sie! Sie wissen bereits mehr darüber, als Sie eigentlich sollten. Ich werde Ihre Fragen diesbezüglich nicht beantworten und wenn Sie klug sind, respektieren Sie das.“
Er blickte mich aus zusammengekniffenen Augen an. „Wollen Sie mir etwa drohen, Miss Pearce?“
„Vielleicht.“ Ich lächelte ihn an.
Er tippte sich mit dem Finger gegen die Wange und dachte über meine Worte nach. Für einige Momente hörte man nur das Prasseln des Regens auf die bunten Kirchenfenster. „Also gut. Belassen wir es dabei. Für den Moment. Erzählen Sie einfach Ihre Geschichte weiter.“
11. Der Unterricht beginnt
Mir fiel es am Anfang sehr schwer all die Dinge für bare Münze zu halten, von denen mir der Pater erzählte. Ich hatte mein Leben lang irgendwie in einer Art Seifenblase verbracht. Mir war nie körperliche Gewalt angetan worden. Berichte von Überfällen, Vergewaltigungen und Körperverletzung bestürzten mich zutiefst. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, wie so etwas sein mochte. Und ich war auch nicht scharf darauf, das zu erfahren. Irgendwie hatte ich immer Glück gehabt, wenn ich unterwegs gewesen war. Ich glaubte nicht an Gott im eigentlichen Sinne. Aber ich glaubte, dass es so etwas wie eine höhere Macht gab, die auf mich aufpasste und mich beschützte und ich nur deshalb nie körperlichen Schaden genommen hatte. Trotzdem hatte ich immer darauf gewartet, dass diese Seifenblase zerplatzen würde.
Und sie tat es, als mir Pater Michael erklärt hatte, was in meiner Stadt vor sich ging.
Da ich nur kopfschüttelnd vor ihm saß, brachte Pater Michael mich in die Bibliothek. Es war das erste Mal, dass ich diesen Raum betrat, und es war wieder einer dieser Momente, in denen man den Mund vor lauter Staunen kaum zubekommt. Sie stand in ihrer Größe und Weite den anderen unterirdischen Räumlichkeiten in keinster Weise nach. Ich hatte noch nie so eine riesige Bibliothek gesehen! Der Fußboden war aus schwarzen Dielenbrettern, die im gelben Schein einer Lampe glänzten. Ein dunkelroter, runder Teppich lag darauf, in den mit goldenem Garn ein altmodisches Muster gewebt worden war. Ein roter Sessel stand auf dem Teppich, zusammen mit einem kleinen, runden Tisch, auf dem sich eine Leselampe befand. Ein zweiter Sessel stand etwas abseits neben den Bücherregalen. Diese waren aus dunklem Holz und reichten vom Boden bis zur Decke. Die Gänge zwischen ihnen waren so lang, sodass man nicht einmal das Ende sehen konnte. Zielstrebig ging der Pater in einen der Gänge und kam mit einem Stapel Bücher auf den Armen zurück. „Dies
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